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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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und ausweichend ... Auf uns hörte man, mit uns ging man." In der dritten Etage des Smolny atmete man aus voller Brust auf, als das Telephon die freudige Nachricht brachte: Die Garnison der Peter-Paul-Festung habe sich feierlich verpflichtet, von nun an ausschließlich dem Militärischen Revolutionskomitee Folge zu leisten.
    Die Wandlung im Bewußtsein der Festungstruppen war selbstverständlich nicht das Resultat einer oder zweier Reden. Sie war solide von der Vergangenheit vorbereitet. Die Soldaten standen viel linker als ihre Komitees. Nur die Hülle der alten Disziplin, völlig in Rissen, hatte sich hinter der Festungsmauer etwas länger gehalten als in den Stadtkasernen. Blagonrawow konnte sich jetzt in der Festung sicher niederlassen, seinen kleinen Stab aufschlagen, mit dem bolschewistischen Sowjet des Nachbarbezirkes und den Komitees der nächsten Kasernen die Verbindung herstellen. Inzwischen treffen Delegationen von Betrieben und Truppenteilen ein mit dem Ersuchen um Waffenausgabe. In der Festung tritt unbeschreibliches Leben ein. "Das Telephon schnarrt ununterbrochen und bringt Nachrichten von unseren neuen Erfolgen in Versammlungen und Meetings." Ab und zu berichtet eine unbekannte Stimme, auf dem Bahnhof seien Exekutionsabteilungen von der Front angekommen. Eine sofortige Nachprüfung ergibt, daß dies vom Feind verbreitete Erfindungen sind.
    Die Abendsitzung des Sowjets zeichnet sich an diesem Tage durch besondere Menschenfülle und gehobene Stimmung aus. Besetzung der Peter-Paul-Festung und endgültige Einnahme des Kronwerksker Arsenals, das hunderttausend Gewehre barg sind ein ernstes Pfand des Erfolges. Im Namen des Militärischen Revolutionskomitees spricht Antonow. Strich um Strich gibt er ein Bild von der Verdrängung der Regierungsorgane durch Beauftragte des Militärischen Rs-volutionskomitees: diese werden überall als Vertraute empfangen: ihnen gehorcht man nicht aus Furcht, sondern aus freien Stücken. "Von überall kommen Forderungen nach Ernennung von Kommissaren." Rückständige Truppenteile beeilen sich, den fortgeschritteneren nachzueifern. Das Preobraschensker Regiment, das im Juli als erstes auf die Verleumdung vorn deutschen Gold hineingefallen war, erhebt jetzt durch seinen Kommissar Tschudnowski stürmischen Protest gegen die Gerüchte, die Preobraschensker ständen hinter der Regierung: ein solcher Gedanke wird als ärgster Schimpf empfunden! ... Zwar wird der Wachdienst wie üblich erfüllt, erzählt Antonow, doch geschieht dies mit Zustimmung des Komitees. Befehle des Stabes über Ausgabe von Waffen und Automobilen werden nicht ausgeführt. Der Stab bekommt auf diese Weise die volle Möglichkeit, sich davon zu überzeugen, wer Herr der Hauptstadt ist.
    Auf die Frage: ob dem Komitee bekannt sei, daß Regierungstruppen von der Front und aus der Umgebung anrücken, und welche Maßnahmen dagegen ergriffen sind, antwortet der Referent: von der rumänischen Front seien Kavallerietruppenteile im Anmarsch gewesen, doch in Pskow aufgehalten worden; die 17. Infanteriedivision, die unterwegs erfahren hatte, wohin und zu welchem Zwecke sie geschickt wird, weigerte sich, weiterzufahren; in Wenden leisteten zwei Regimenter Widerstand gegen ihren Abtransport nach Petrograd; es bleibt vorläufig noch das Schicksal der angeblich aus Kiew entsandten Kosaken und Junker und der aus Zarskoje Selo herbeigerufenen Stoßtrupps unbekannt. "Das Militärische Revolutionskomitee anzutasten wagt man nicht und wird man nicht wagen." Diese Worte klingen nicht übel im weißen Saale des Smolny.
    Antonows Referat macht beim Lesen den Eindruck, als habe der Stab der Umwälzung bei offenen Türen gearbeitet. Und in der Tat, das Smolny hat fast nichts mehr zu verbergen. Die politische Verknotung der Umwälzung ist derart günstig, daß sich nun auch die Offenheit in eine Form der Verschleierung verwandelt: geschieht denn ein Aufstand so? Das Wort "Aufstand" wird jedoch von keinem der Führer ausgesprochen. Nicht nur aus formaler Vorsicht, sondern auch deshalb, weil dieser Terminus der realen Lage nicht entspricht: den Aufstand zu machen, bleibt sozusagen Kerenskis Regierung überlassen. Im Bericht der Iswestja heißt es allerdings, daß Trotzki in der Sitzung vom 23. zum erstenmal als das Ziel des Militärischen Revolutionskomitees offen die Machtergreifung bezeichnet. Zweifellos hatten sich alle weit entfernt von der Ausgangsposition, wo als Aufgabe des Komitees eine Nachprüfung der strategischen Argumente

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