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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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dienen hauptsächlich Generalstreik, Massenaufzüge, Straßenzusammenstöße, Barrikadenkämpfe. Die besondere, nie und nirgends zuvor in solcher Vollendung beobachtete Eigenart der Oktoberumwälzung bildet die Tatsache, daß es der proletarischen Avantgarde infolge glücklicher Fügung der Umstände gelang, die Garnison der Hauptstadt noch vor Beginn des offenen Aufstandes auf ihre Seite hinüberzuziehen; und nicht nur hinüberzuziehen, sondern diesen Gewinn auch durch die Garnisonberatung organisatorisch zu verankern. Man kann die Mechanik der Oktoberumwälzung nicht begreifen, ohne sich vollständig darüber klarzusein, daß die wichtigste, im voraus am schwierigsten zu berechnende Aufgabe des Aufstandes in Petrograd im Kern bereits vor dem Beginn des bewaffneten Kampfes gelöst war.
    Das heißt jedoch nicht, daß der Aufstand sich erübrigt hatte. Auf seiten der Arbeiter war zwar die überwiegende Mehrheit der Garnison; eine Minderheit aber war gegen die Arbeiter, gegen die Umwälzung, gegen die Bolschewiki. Diese kleine Minderheit bestand aus den qualifiziertesten Elementen der Armee: Offizieren, Junkern, Stoßbrigadlern, vielleicht auch Kosaken. Politisch waren diese Elemente nicht zu erobern: man mußte sie besiegen. Der letzte Teil der Aufgabe der Umwälzung, der in die Geschichte eben unter dem Namen Oktoberaufstand eingegangen ist, hatte somit rein militärischen Charakter. Entscheiden mußten auf der letzten Etappe Gewehre, Bajonette, Maschinengewehre, vielleicht auch Kanonen. Auf diesen Weg führte die Partei der Bolschewiki.
    Welches waren die militärischen Kräfte des bevorstehenden Zusammenstoßes? Boris Sokolow, der die militärische Arbeit der sozialrevolutionären Partei leitete, erzählt, daß in der der Umwälzung vorangegangenen Periode "in den Regimentern alle Parteiorganisationen außer den bolschewistischen auseinanderfielen und die Bedingungen für Schaffung neuer Organisationen keinesfalls günstig waren. Die Stimmung der Soldaten war zwar ausgesprochen bolschewistisch, doch ihr Bolschewismus war passiv, und es fehlten ihnen alle Tendenzen zur aktiven bewaffneten Erhebung." Sokolow versäumt nicht hinzuzufügen: "Ein bis zwei zuverlässige und kampffähige Regimenter hätten genügt, um die ganze Garnison in Gehorsam zu halten." Durchwegs allen, von den monarchistischen Generalen bis zu den "sozialistischen" Intellektuellen, fehlten gegen die proletarische Revolution "ein bis zwei Regimenter". Aber es ist richtig, daß die Garnison, in ihrer überwältigenden Masse der Regierung tief kindlich, auch auf seiten der Bolschewiki nicht kampffähig gewesen wäre. Der Grund lag in der unüberbrückbaren Kluft zwischen der alten Militärstruktur der Truppenteile und ihrer neuen politischen Struktur. Rückgrat einer kampffähigen Truppe bildet der Kommandobestand. Dieser war gegen die Bolschewiki. Das politische Rückgrat der Truppenteile stellten die Bolschewiki dar. Sie aber vermochten nicht nur nicht das Kommando auszuüben, sie wußten in der Mehrzahl auch schlecht mit der Waffe umzugehen. Die Soldatenmasse war nicht einheitlich. Die aktiven, kampffähigen Elemente bildeten, wie immer, die Minderheit. Die Mehrheit der Soldaten sympathisierte mit den Bolschewiki, stimmte für sie, wählte sie, erwartete aber von ihnen auch die Lösung. Den Bolschewiki feindliche Elemente waren in den Truppenteilen zu verschwindend gering, um irgendeine Initiative zu wagen. Die politische Verfassung der Garnison war somit für den Aufstand außerordentlich günstig. Aber das Gewicht ihres Kampfgeistes war nicht groß, das war von vornherein sichtbar.
    Doch die Garnison völlig von der Kampfwaage hinunterzuwerfen, war keineswegs notwendig. Tausende von Soldaten, bereit, auf seiten der Revolution zu kämpfen, waren zerstreut unter der passiveren Masse, die sie gerade deshalb mehr oder weniger mitzogen. Einzelne Truppenteile von glücklicherer Zusammensetzung bewahrten Disziplin und Kampffähigkeit. Man traf feste revolutionäre Kerne auch in gelockerten Regimentern. Im 6. Reservebataillon mit einer Gesamtzahl von etwa zehntausend Mann zeichnete sich unter den fünf Kompanien die erste stets aus, galt fast von Beginn der Revolution an als bolschewistisch und zeigte sich in den Oktobertagen auf der Höhe. Die Durchschnittsregimenter der Garnison existierten als geschlossene Regimenter zwar nicht, ihr Verwaltungsmechanismus war desorganisiert: sie waren zu einer andauernden Kampfanstrengung unfähig; doch waren dies

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