Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Maschinengewehre; das eine wurde im Speiseraum, das andere auf dem Dach aufgestellt. "Unser Vorgesetzter", erzählt Litschkow, "war Kotsche-rowski, seine nächsten Gehilfen - Tomtschak, von den Weißgardisten in den Oktobertagen bei Zarskoje Selo ermordet, und Jefimow, von den weißen Banden bei Jamburg erschossen." Die knappen Zeilen gewähren einen Blick in die Fi-briklaboratorien, wo die Kader der Oktoberumwälzung und der späteren Roten Armee sieh formierten, ausgewählt wurden, Kommandoführung lernten, wo die Tomtschak und Jefimow, die Hunderte und Tausende namenloser Arbeiter gestählt wurden, die die Macht eroberten, sie unter Selbstaufopferung gegen die Feinde verteidigten und später auf allen Schlachtfeldern fielen.
Die Juliereignisse veränderten jäh die Lage der Roten Garde. Die Entwaffnung der Arbeiter geschieht bereits vollkommen offen, nicht mehr durch Ermahnungen, sondern mit Gewaltanwendung. Unter dem Schein der Waffen liefern jedoch die Arbeiter nur den alten Kram aus. Alles Wertvollere wird sorgfältigst versteckt. Gewehre werden zuverlässigen Parteimitgliedern anvertraut. Maschinengewehre eingefettet in die Erde vergraben. Abteilungen der Roten Garde verschwinden und tauchen in Illegalität unter, sich enger den Bolschewiki anschließend.
Die Sache der Arbeiterbewaffnung konzentrierte sich ursprünglich in den Händen von Fabrik- und Bezirkskomitees der Partei. Nachdem sie sich von der Juliniederschlagung erholt hat, geht die Militärische Organisation der Bolschewiki, die früher nur in der Garnison und an der Front gearbeitet hatte, zum ersten Male an den Aufbau der Roten Garde, indem sie den Arbeitern militärische Instruktoren und in einigen Fällen auch Waffen liefert. Die von der Partei aufgestellte Perspektive des bewaffneten Aufstandes bereitet allmählich die fortgeschrittenen Arbeiter auf die neue Bestimmung der Roten Garde vor. Das ist bereits keine Miliz der Fabriken und Arbeiterviertel, sondern es sind Kader der zukünftigen Aufstandsarmee.
Im August häufen sich Brände in Fabriken und Werkstätten. Jeder heranrückenden Krise geht eine Konvulsion des Kollektivbewußtseins voraus, die sich durch eine Welle der Beunruhigung ankündigt. Die Fabrikkomitees entwickeln eine intensive Tätigkeit zum Schutze der Betriebe gegen Attentate. Die versteckten Gewehre kommen wieder hervor. Der Kornilowaufstand legalisiert endgültig die Rote Garde. In die Mannschaftslisten tragen sich etwa 25.000 Arbeiter ein, die freilich nicht durchwegs - mit Gewehren, teils mit Maschinengewehren ausgerüstet werden können. Die Arbeiter der Schlüsselburger Pulverfabrik liefern über die Newa einen Schleppkahn voll Granaten und Explosivstoffe: gegen Kornilow! Das Versöhnler-Zentral-Exekutivkomitee verzichtet auf das Danaergeschenk. Die Rotgardisten der Wybor-ger Seite belieferten in der Nacht die Bezirke mit den gefährlichen Gaben.
"Der Unterricht in der Kunst des Waffengebrauchs, früher in Wohnungen und Kämmerchen ausgeübt", erzählt der Arbeiter Skorinko, "wurde ins Helle und Freie, in Gärten, in Boulevards verlegt." - "Die Werkstatt verwandelte sich in ein Lager", erinnert sich der Arbeiter Rakitow. "... "Hinter den Werkbänken stehen Dreher, über die Schulter die Patronentasche, das Gewehr an der Werkbank." In der Granatenwerkstatt schreiben sich bald alle in die Garde ein, außer den alten Sozialrevolutionären und Menschewiki. Nach Arbeitsschluß stellen sie sich im Hof zum Unterricht auf "Es stehen nebeneinander bärtiger Arbeiter und Lehrling, und beide lauschen aufmerksam auf den Instruktor ... " Während die alten zaristischen Heere endgültig auseinanderfielen, wurde in den Fabriken das Fundament der späteren Roten Armee gelegt.
Sobald die Kornilowgefahr vorbei war, begannen die Versöhnler die Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu bremsen: für die dreißigtausend Putilower wurden insgesamt dreihundert Gewehre ausgegeben. Bald wurde die Waffenausgabe überhaupt eingestellt: die Gefahr rückte jetzt nicht von rechts heran, sondern von links; man mußte nun Schutz suchen nicht bei den Proletariern, sondern bei den Junkern.
Fehlen eines unmittelbaren praktischen Zieles und Mangel an Waffen brachten ein Abfluten der Arbeiter von der Roten Garde. Doch war dies nur eine kurze Atempause. Kernkader haben sich unterdessen in jedem Betrieb zusammengeschlossen. Zwischen den einzelnen Mannschaften bildeten sich feste Verbindungen heraus. Die Kader wissen aus Erfahrung, daß sie ernsthafte
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