Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
strömten zu Schießübungen und Manövern. Die Zahl der Überwachungsposten wuchs. In den Fabriken hielt man Tag und Nacht Wache. Die Stäbe der Roten Garde übersiedelten in größere Räume. In der Trubotschny (Röhren)-Fabrik fand am 23. ein Examen der Rotgardisten statt. Der Versuch eines Menschewiken, gegen die Erhebung zu sprechen, geht im Entrüstungssturm unter: genug, die Zeit des Diskutierens ist vorbei! Die Bewegung ist unaufhaltsam, sie reißt auch Menschewiki mit. Sie "tragen sich bei der Roten Garde ein", erzählt Tatjana Graf "übernehmen die verschiedensten Aufträge und entwickeln sogar Initiative". Skorinko schildert, wie sich am 23. in einer Abteilung Sozialrevolutionäre und Menschewiki, junge wie alte, mit den Bolschewiki verbrüderten und wie er, Skorinko selbst, sich vor Freude mit seinem Vater, einem Arbeiter der gleichen Fabrik, umarmte. Der Arbeiter Pesko-woj erzählt: in der bewaffneten Abteilung "waren jugendliche Arbeiter, etwa sechzehnjährige, und alte, etwa fünfzigjährige". Die Buntheit der Lebensalter verlieh "Mut und Kampfgeist".
Die Wyborger Seite bereitet sich besonders eifrig auf die Kämpfe vor. Man bemächtigt sich der Schlüssel zu den beweglichen Brücken, die auf die Wyborger Seite führen, erforscht die schwachen Stellen des Bezirkes, wählt ein eigenes militärisches Revolutionskomitee, die Betriebskomitees errichten einen ständigen Wachtdienst. Mit berechtigtem Stolz schreibt Kajurow über die Wyborger: "Sind als erste in den Kampf gegen das Selbstherrschertum gegangen, haben als erste in ihrem Bezirk den Achtstundent4 eingeführt, als erste gegen die zehn Minister-Kapitalisten bewaffnet demonstriert, als erste am 7. Juli einen Protest gegen die Verfolgung unserer Partei angenommen und waren nicht die letzten am entscheidenden Tage des 25. Oktober." Was wahr ist, ist wahr!
Die Geschichte der Roten Garde ist zum großen Teil die Geschichte der Doppelherrschaft: durch ihre inneren Widersprüche und Zusammenstöße hat diese es den Arbeitern erleichtert, schon vor dem Aufstande eine beachtenswerte bewaffnete Macht zu schaffen. Die Gesamtzahl der Arbeiterabteilungen des ganzen Landes im Augenblick des Aufstandes zu berechnen - ist eine kaum durchführbare Aufgabe, wenigstens im gegenwärtigen Moment. Jedenfalls waren es Zehntausend und aber Zehntausend bewaffneter Arbeiter, die die Kader des Aufstandes bildeten. Die Reserven waren fast unerschöpflich.
Die Organisation der Roten Garde war natürlich von Vollkommenheit weit entfernt. Alles wurde in Hast, im rohen, nicht immer geschickt gemacht. Die Rotgardisten waren in der Mehrzahl wenig ausgebildet, der Verbindungsdienst ungenügend organisiert, die Ausrüstung hinkte, der Sanitätsanteil ließ vieles zu wünschen übrig. Doch zusammengesetzt aus den opfermütigsten Arbeitern, brannte die Rote Garde im Verlangen, diesmal den Kampf zu Ende zu führen. Das hat auch den Ausschlag gegeben.
Der Unterschied zwischen den Arbeiterabteilungen und den Bauernregimentern war nicht allein durch den sozialen Bestand der einen und der anderen bestimmt. Viele dieser schwerfälligen Soldaten werden, nachdem sie in ihre Dörfer zurückgekehrt sind und das gutsherrliche Land untereinander verteilt haben, zuerst in Partisanenabteilungen, dann in der Roten Armee verzweifelt gegen die Weißgardisten kämpfen. Neben dem sozialen Unterschied besteht ein anderer, unmittelbarerer: während die Garnison eine zwangsweise Anhäufung alter, gegen den Krieg sich wehrender Soldaten ist, sind die Abteilungen der Roten Garde neue Gebilde, geschaffen durch persönliche Auswahl, auf neuer Basis, im Namen neuer Ziele.
Das Militärische Revolutionskomitee verfügt noch über eine dritte Gattung bewaffneter Kräfte: die Seeleute der Baltischen Flotte. Nach ihrer sozialen Zusammensetzung stehen sie den Arbeitern näher als die Infanterie. Unter ihnen sind nicht wenige Petrograder Arbeiter. Das politische Niveau der Seeleute ist unvergleichlich höher als das der Soldaten. Zum Unterschiede von den unkriegerischen Reservisten, denen das Gewehr etwas längst Vergessenes war, hatten die Seeleute den aktiven Dienst nie unterbrochen.
Für aktive Operationen konnte man fest rechnen mit den bewaffneten Kommunisten, den Abteilungen der Roten Garde, dem fortgeschrittenen Teil der Matrosen und den intakt gebliebenen Regimentern. Die Elemente dieser kombinierten Armee ergänzten einander. Der zahlreichen Garnison fehlte es am Willen zum Kampfe. Den
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