Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Absichten der Aufstandführer", schreibt er, "gingen viel weiter als diese offiziellen Erklärungen Trotzkis ... Der Sowjetkongreß sollte vor eine vollendete Tatsache gestellt werden."
Der rein militärische Plan bestand ursprünglich darin, die baltischen Seeleute mit den bewaffneten Wyborger Arbeitern zu vereinigen: die Matrosen sollten mit der Eisenbahn kommen und auf dem Finnländischen Bahnhof, der im Wybor-ger Bezirk liegt, aussteigen. Von diesem Sammelpunkt aus sollte sich der Aufstand durch Hinzukommen weiterer Abteilungen der Roten Garde und Truppen der Garnison auf andere Bezirke ausbreiten, um nach Besetzung der Brücken ins Zentrum einzudringen und den endgültigen Schlag zu führen. Dieser sich naturgemäß aus der Lage ergebende und offenbar von Antonow ausgearbeitete Plan beruhte auf der Vermutung, der Gegner könnte noch bedeutenden Widerstand leisten. Doch diese Voraussetzung wurde bald hinfällig: Von einem beschränkten Sammelpunkt aus vorzugehen, bestand keine Notwendigkeit; die Regierung erwies sich überall, wo die Aufständischen es für nötig erachteten, gegen sie einen Schlag zu führen, als völlig ungeschützt. Der strategische Plan erfuhr Veränderungen auch in bezug auf die Fristen, und zwar in zweierlei Richtung: Der Aufstand brach früher aus und endete später, als vorausgesehen war. Der Anschlag der Regierung vom Morgen rief sofortige Widerstandsmaßnahmen defensiver Art seitens des Militärischen Revolutionskomitees hervor. Die dabei offenbar gewordene Ohnmacht der Behörden stieß den Smolny schon im Laufe des Tages zu Offensivmaßnahmen, die allerdings einen unfertigen, halbmaskierten, vorbereitenden Charakter trugen. Der Hauptschlag sollte nach wie vor nachts geführt werden: in diesem Sinne blieb der Plan in Kraft. Er wurde jedoch im Verlaufe der Durchführung umgestoßen, nunmehr aber in entgegengesetzter Richtung. Für die Nacht war die Einnahme aller Kommandohöhen vorgesehen, in erster Linie des Winterpalais, wo sich die Zentralmacht verborgen hielt. Aber die Zeiteinteilung ist bei einem Aufstande noch schwieriger als im regulären Krieg. Die Leiter hatten sich mit dem Zusammenziehen der Kräfte um viele Stunden verspätet, und die Operationen gegen das Winterpalais, die in der Nacht nicht einmal eingeleitet werden konnten, bildeten ein besonderes Kapitel der Umwälzung, das erst in der Nacht auf den 26., das heißt mit einer Verspätung um volle vierundzwanzig Stunden, seinen Abschluß fand. Ohne ernste Versager ist auch der glänzendste Sieg nicht zu erringen!
Nach Kerenskis Auftreten im Vorparlament versuchten die Behörden, ihre Offensive auszudehnen. Junkerabteilungen besetzten die Bahnhöfe. An großen Straßenkreuzungen sind Wachtposten aufgestellt mit der Weisung, die dem Staate nicht abgelieferten Privatautos zu requirieren. Gegen 3 Uhr nachmittags wurden die Brücken auseinandergenommen, mit Ausnahme der Schloßbrücke, die unter starker Bewachung von Junkern für den Verkehr frei blieb. Diese Maßnahme, von der Monarchie bei allen Unruhen angewandt, zuletzt in den Februartagen, war von der Angst vor den Arbeiterbezirken diktiert. Das Auseinandernehmen der Brücken bildete in den Augen der Bevölkerung gleichsam die offizielle Bestätigung dessen, daß der Aufstand begonnen habe. Die Stäbe der interessierten Bezirke beantworteten den Kriegsakt der Regierung sogleich auf ihre Art durch Entsendung bewaffneter Abteilungen zu den Brücken. Dem Smol-ny blieb nur übrig, diese Initiative zu unterstützen. Der Kampf um die Brücken hatte für beide Parteien den Charakter einer Kräfteprüfung. Bewaffnete Arbeiter- und Soldatentrupps drängten bald mit Zureden, bald mit Drohungen gegen Junker und Kosaken an. Die Wachen traten schließlich ab, ohne einen direkten Zusammenstoß zu wagen. Einige Brük-ken wurden mehrere Male hintereinander geöffnet und geschlossen.
Die Aurora erhielt unmittelbar vom Militärischen Revolutionskomitee Befehl: "Mit allen euch zur Verfügung stehenden Mitteln den Verkehr auf der Nikolajewski-Brücke wiederherstellen." Der Kommandant des Kreuzers versuchte, die Ausführung des Befehls hintanzuhalten, doch nachdem gegen ihn und sämtliche Offiziere symbolische Verhaftung angewandt worden war, übernahm er gehorsamst den Befehl über das Schiff. An beiden Ufern rückten Ketten von Matrosen vor. Ehe noch die Aurora vor der Brücke Anker werfen konnte, erzählt Kurkow, war von den Junkern jede Spur verschwunden. Die Matrosen schlossen die
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