Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
der Eunuchen, sondern auch über höhere Staatsprobleme schreibt, besuchte 1929 Sowjet-Moskau, warf das wenige durcheinander, was er aus fünftem und zehntem Munde gehört hatte, und baute auf diesem Fundament ein Buch auf über Technik des Staatsstreichs. Der Name dieses Schriftstellers, Malaparte, gestattet, ihn leicht von einem anderen Spezialisten in Staatsstreichen zu unterscheiden, der den Namen Bonaparte trug.
Im Gegensatz zu "Lenins Strategie", die mit den sozialen und politischen Bedingungen Rußlands von 1917 verbunden ist, "ist dagegen Trotzkis Taktik", nach Malapartes Worten, "mit den Gesamtbedingungen des Landes nicht verknüpft!" Auf Lenins Betrachtungen über die politischen Voraussetzungen der Umwälzung läßt der Autor Trotzki antworten: "Ihre Strategie erfordert zuviel günstige Bedingungen: die Insurrektion erfordert nichts. Sie genügt sich selbst." Wohl kaum ist eine Absurdität denkbar, die mehr sich selbst genügt. Malaparte wiederholt mehreremal, im Oktober habe nicht Lenins Strategie, sondern Trotzkis Taktik gesiegt. Diese Taktik bedrohe auch jetzt die Ruhe der europäischen Staaten. "Lenins Strategie bildet keine unmittelbare Gefahr für Europas Regierungen. Eine aktuelle und dabei ständige Gefahr für sie ist Trotzkis Taktik." Noch konkreter: "Man setze an die Stelle Kerenskis Poincare, - der bolschewistische Staatsstreich vom Oktober 1917 wäre ebensogut gelungen." Wir würden vergeblich danach forschen, wozu Lenins von historischen Bedingungen abhängige Strategie überhaupt notwendig ist, wenn Trotzkis Taktik die gleiche Aufgabe unter allen Bedingungen löst. Es bleibt hinzuzufügen, daß das hervorragende Buch bereits in mehreren Sprachen vorliegt. Staatsmänner lernen offenbar nach ihm, Staatsstreiche abzuwehren. Wollen wir ihnen allen Erfolg wünschen.
Eine Kritik der rein militärischen Operationen vom 25. Oktober ist bis jetzt nicht unternommen worden. Was über diese Frage in der Sowjetliteratur existiert, trägt nicht kritischen, sondern rein apologetischen Charakter. Neben den Schriften des Epigonentums gesehen, hebt sich sogar Suchanows Kritik, trotz all ihren Widersprüchen, durch aufmerksames Verhalten zu den Tatsachen günstig ab.
In der Bewertung der Organisierung des Oktoberaufstandes äußerte Suchanow im Laufe von einem bis zwei Jahren zwei geradezu diametral entgegengesetzte Ansichten. In dem der Februarrevolution gewidmeten Bande sagt er: "Ich werde später aufgrund persönlicher Erinnerungen die nach Noten heruntergespielte Oktoberumwälzung beschreiben." Jaroslawski wiederholt diese Äußerung Suchanows wörtlich. "Der Aufstand in Petrograd" sagt er, "war gut vorbereitet und wurde von der Partei wie nach Noten heruntergespielt." Wohl noch entschiedener äußert sich Claude Anet, ein gegnerischer; aber aufmerksamer, wenn auch nicht tiefer Beobachter: "Der Staatsstreich vom 7. November läßt nur Bewunderung zu. Nicht eine Bresche, nicht ein Spalt, die Regierung fällt, ehe sie noch "Uff!" schreien kann." Hingegen erzählt Suchanow in dem der Oktoberumwälzung gewidmeten Bande, wie der Smolny "leise, tastend, behutsam und verworren" an die Liquidierung der Provisorischen Regierung heranging.
Übertreibung ist sowohl im zweiten wie im ersten Urteil enthalten. Doch kann man unter einem weiten Gesichtspunkte zugeben, daß beide Einschätzungen, so sehr sie sich auch widersprechen, auf Tatsachen fußen. Die Planmäßigkeit der Oktoberumwälzung erwuchs hauptsächlich aus objektiven Verhältnissen, aus der Reife der Revolution als Ganzes, aus der Lage Petrograds im Lande, aus der Lage der Regierung in Petrograd, aus der gesamten vorangegangenen Arbeit der Partei, endlich aus der richtigen Politik der Umwälzung. Aber es blieb noch die Aufgabe der Kriegstechnik. Da gab es der einzelnen Fehlgriffe nicht wenig, und es kann, faßt man sie zusammen, leicht der Eindruck einer Arbeit ins Blinde hinein entstehen.
Suchanow verweist mehrere Male auf die militärische Schutzlosigkeit des Smolny in den letzten Tagen vor dem Aufstande. In der Tat, noch am 23. war der Stab der Revolution nicht viel besser geschützt als das Winterpalais. Das Militärische Revolutionskomitee sicherte seine Unangreifbarkeit vor allem dadurch, daß es die Verbindung mit der Garnison festigte und durch sie die Möglichkeit bekam, alle militärischen Bewegungen des Gegners zu verfolgen. Ernstere Maßnahmen kriegstechnischer Art traf das Komitee erst etwa vierundzwanzig Stunden früher als die Regierung.
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