Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
solchen Aktionen durchaus nicht bereit. Trotz dem Verbot des Sowjets wurde beschlossen, eine Demonstration zu veranstalten. Zum Skobeljew-Platz marschierten beträchtliche Arbeitermassen unter den gleichen Parolen wie in Petrograd, doch bei weitem nicht mit der gleichen Begeisterung. Der Widerhall in der Garnison war nicht einmütig, wenige Teile schlossen sich an, nur einer davon in voller Ausrüstung. Der Artilleriesoldat Dawydowskij dem es bevorstand, an den Oktoberkämpfen ernsten Anteil zu nehmen, bezeugt in seinen Erinnerungen, daß Moskau in den Julitagen unvorbereitet war und daß der Mißerfolg bei den Demonstrationsführern "einen ungünstigen Niederschlag" zurückließ.
Nach Iwanowo-Wosnessensk, der Textilresidenz, wo der Sowjet bereits unter Führung der Bolschewiki stand, drangen die Berichte über die Ereignisse in Petrograd gleichzeitig mit einem Gerücht vom Sturze der Provisorischen Regierung. In der Nachtsitzung des Exekutivkomitees wurde als vorbereitende Maßnahme beschlossen, eine Kontrolle über Telephon und Telegraph zu verhängen. Am 6. Juli wurde in den Fabriken die Arbeit eingestellt; an der Demonstration nahmen annähernd vierzigtausend Arbeiter teil, viele bewaffnet. Als bekannt wurde, daß die Petrograder Demonstration nicht zum Siege geführt hatte, trat der Iwanowo-Wosnessensker Sowjet eiligst den Rückzug an.
In Riga erfolgte unter dem Eindruck der Nachrichten über die Petrograder Ereignisse in der Nacht zum 6. Juli ein Zusammenstoß zwischen den bolschewistisch gestimmten lettischen Schützen und dem "Todesbataillon", wobei das patriotische Bataillon zum Rückzug gezwungen wurde. Der Rigaer Sowjet nahm in der gleichen Nacht eine Resolution zugunsten der Sowjetmacht an. Zwei Tage später wurde eine gleiche Resolution in der Hauptstadt des Urals, Jekaterin-burg, angenommen. Die Tatsache, daß die Parole der Sowjetmacht, in den ersten Monaten nur im Namen der Partei erhoben, von nun an Programm einzelner Lokalsowjets wurde, bedeutete zweifellos einen großen Schritt vorwärts. Aber von der Resolution für die Sowjetmacht bis zum Aufstande unter dem Banner der Bolschewiki blieb noch ein weites Stück Weges.
An einzelnen Punkten des Landes dienten die Petrograder Ereignisse als Anstoß zur Entfachung scharfer Konflikte lokalen Charakters. In Nischni Nowgorod, wo sich die evakuierten Soldaten dem Abtransport zur Front lange widersetzten, riefen die aus Moskau entsandten Junker durch ihre Gewalttaten die Empörung der beiden Platzregimenter hervor. Das Resultat eines Geplänkels, bei dem es Tote und Verwundete gab, war, daß die Junker sich ergaben und entwaffnet wurden. Die Behörden verschwanden. Von Moskau her rückte eine Strafexpedition aus drei Truppengattungen vor. An ihrer Spitze standen: der Befehlshaber des Moskauer Militärbezirks, der impulsive Oberst Werchowski, später Kerenskis Kriegsminister, und der Vorsitzende des Moskauer Sowjets, der alte Menschewik Chintschuk, ein Mann von wenig kriegerischer Wesensart, später Haupt der Kooperativen und dann Sowjetbotschafter in Berlin. Es gab jedoch für sie nichts mehr zu bestrafen, da das von den aufständischen Soldaten gewählte Komitee inzwischen die Ordnung völlig hergestellt hatte.
Ungefähr in den gleichen Nachtstunden und aus dem gleichen Anlaß der Weigerung, an die Front zu gehen, meuterten in Kiew die Soldaten des Regiments Hetman Polubotjko in Stärke von fünftausend Mann, ergriffen Besitz vom Waffenlager, besetzten die Festung, den Kreisstab, verhafteten den Kommandanten und Milizchef. Die Panik in der Stadt dauerte einige Stunden, bis es gelang, mit den kombinierten Kräften der Militärbehörden, der Komitees öffentlicher Organisationen und der Organe der Ukrainischen Zentralrada die Verhafteten zu befreien und den größten Teil der Aufständischen zu entwaffnen.
Im fernen Krasnojarsk fühlten sich die Bolschewiki dank der Stimmung der Garnison derart sicher, daß sie, trotz der im Lande bereits einsetzenden Reaktionswelle, am 9. Juli eine Demonstration veranstalteten, an der acht- bis zehntausend Menschen, meist Soldaten, teilnahmen. Gegen Krasnojarsk wurde aus Irkutsk eine Abteilung von vierhundert Mann mit Artillerie unter Leitung des Kreiskriegskommissars, des Sozialrevolutionärs Krakowezki, entsandt. Während der beiden dem Regime der Doppelherrschaft für Beratungen und Unterhandlungen unentbehrlichen Tage wurde die Strafabteilung durch Soldatenagitation derart zersetzt, daß der Kommissar sich beeilen
Weitere Kostenlose Bücher