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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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reichen Jahres ein: Führer einer revolutionären Partei, deren Leben jahrzehntelang im Kampf mit gekrönten und ungekrönten Herrschern verlaufen war, wurden vor dem ganzen Lande und der ganzen Welt als gemietete Agenten der Ho-henzollern hingestellt. Eine Verleumdung von nie dagewesenem Maßstabe wurde in die Tiefe der Volksmassen g?-schleudert, die in ihrer überwiegenden Mehrheit zum erstenmal nach der Februarrevolution die Namen der bolschewistischen Führer vernahmen. Die Intrige wurde zum erstrangigen politischen Faktor. Das macht eine aufmerksamere Untersuchung ihrer Mechanik notwendig.
    Das sensationelle Dokument hatte zu seiner Urquelle die Aussagen eines gewissen Jermolenko. Die Physiognomie dieses Helden wird durch die offiziellen Angaben erschöpft: in der Periode nach dem Japanischen Krieg bis 1913 Agent der Konterspionage; 1913 im Range eines Fähnrichs entlassen aus nicht festzustellenden Gründen; im Jahre 1914 zur aktiven Armee eingezogen; geriet ruhmreich in Gefangenschaft und beschäftigte sich mit polizeilicher Überwachung der Kriegsgefangenen. Doch entspricht das Regime des Konzentrationslagers nicht dem Geschmack des Spitzels, und er tritt "auf Drängen der Kameraden" - das sind seine Angaben - in Dienst der Deutschen, selbstverständlich zu patriotischen Zwecken. In seinem Leben begann ein neues Kapitel. Am 25. April wurde der Fähnrich von den deutschen Militärbehörden über die russische Front "geworfen" zum Zwecke, Brücken zu sprengen, Spionageberichte zu liefern, für die Unabhängigkeit der Ukraine zu kämpfen und für den Separatfrieden zu agitieren. Deutsche Offiziere, die Hauptleute Schidizki und Libers, die Jermolenko für diese Zwecke verpflichtet hatten, berichteten ihm darüber hinaus, so nebenbei, ohne jegliche praktische Notwendigkeit, offenbar nur zur Stärkung seines Mutes, außer dem Fähnrich werde in der gleichen Richtung in Rußland noch ... Lenin arbeiten. Das ist das Fundament der ganzen Sache.
    Was oder wer gab Jermolenko seine Aussagen über Lenin ein? Deutsche Offiziere jedenfalls nicht. Eine einfache Gegenüberstellung von Daten und Tatsachen führt uns in das geistige Laboratorium des Fähnrichs ein. Am 4. April veröffentlichte Lenin seine berühmten Thesen, die eine Kriegserklärung an das Februarregime bedeuteten. Am 20. bis 21. fand die bewaffnete Demonstration gegen die Verlängerung des Krieges statt. Die Hetze gegen Lenin nahm den Charakter eines Orkans an. Am 25. wurde Jermolenko über die russische Front "geworfen" und kam in der ersten Maihälfte in Führung mit der russischen Spionage beim Hauptquartier. Die zweideutigen Zeitungsartikel, die nachwiesen, Lenins Politik nütze dem "Kaiser", führten zu dem Gedanken, Lenin sei deutscher Agent. An der Front genierten sich die Offiziere und Kommissare im Kampfe mit dem unüberwindlichen "Bolschewismus" der Soldaten noch weniger bei der Wahl ihrer Äußerungen, wenn die Rede auf Lenin kam. Jermolenko tauchte sogleich in diesem Strome unter. Ob er selbst den bei den Haaren herbeigezogenen Satz über Lenin ausgedacht hat, ob ihn irgendein Inspirator ihm vertraulich zugeflüstert oder ihn die Beamten der Konterspionage mit Jermolenko zusammen verfertigt haben - ist ohne große Bedeutung. Die Nachfrage nach Verleumdungen gegen die Bolschewiki erreichte eine solche Spannung, daß das Angebot nicht ausbleiben konnte. Der Generalstabschef Denikin, der spätere Generalissimus der Weißen im Bürgerkriege, der sich selbst nicht sehr über den Horizont der Agenten der zaristischen Konterspionage erhob, verlieh oder tat, als verleihe er, Jermolenkos Angaben große Bedeutung und übermittelte sie mit einem entsprechenden Brief am 16. Mai dem Kriegsminister. Kerenski besprach sich, wie anzunehmen ist, mit Zeretelli und Tschcheidse, die nicht umhin konnten, seinen edlen Eifer etwas zu hemmen; das erklärt offenbar, weshalb die Angelegenheit nicht weiter verfolgt wurde. Kerenski schrieb später, wenn auch Jermolenko auf Lenins Verbindung mit dem deutschen Generalstab hingewiesen habe, so doch "nicht mit ausreichender Bestimmtheit". Der Bericht Jermolenko-Denikin blieb anderthalb Monate im Verborgenen liegen. Die Konterspionage entließ Jermolenko aus Mangel an Beschäftigung, und der Fähnrich machte sich nach dem Fernen Osten davon, das aus zweierlei Quellen erhaltene Geld zu vertrinken.
    Die Ereignisse der Julitage, die die drohende Gefahr des Bolschewismus in ihrer ganzen Größe gezeigt hatten, zwangen jedoch, sich der

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