Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Bolschewiki nicht. Das ausländische Zentrum der Partei kämpfte während des Krieges mit der bittersten Not, hundert Franken waren eine Riesensumme, das Zentralorgan erschien einmal im Monat oder gar in zwei Monaten, und Lenin zählte sorgfältig die Zeilen, um das Budget nicht zu überschreiten. Die Ausgaben der Petrograder Organisation in den Kriegsjahren belaufen sich auf wenige tausend Rubel, die hauptsächlich für den Druck illegaler Flugblätter verwandt wurden: während zweieinhalb Jahren sind in Petrograd insgesamt nur dreihunderttausend Exemplare erschienen. Nach der Umwälzung war der Zustrom von Mitgliedern und Mitteln natürlich sehr gewachsen. Die Arbeiter machten mit großer Bereitwilligkeit Lohnabzüge für den Sowjet und die Sowjetparteien. "Spenden, allerhand Beiträge, Sammlungen und Abzüge zugunsten des Sowjets", berichtete auf dem ersten Sowjetkongreß der Advokat Bramson, ein Trudowik, "gingen gleich am ersten Tage nach unserer Revolution ein ... Man konnte das äußerst rührende Bild einer ununterbrochenen Wallfahrt mit diesen Spenden zu uns ins Taurische Palais vom frühen Morgen bis zum späten Abend beobachten." Je weiter, um so bereitwilliger machten die Arbeiter Lohnabzüge zugunsten der Bolschewiki. Jedoch war die Prawda trotz dem schnellen Anwachsen der Partei und der Geldeingänge dem Umfang nach die kleinste von allen Parteizeitungen. Bald nach seiner Ankunft in Rußland schrieb Lenin an Radek nach Stockholm: "Schreiben Sie Artikel für die Prawda über Außenpolitik, das Allerkürzeste, im Geist der Prawda (wenig, wenig Raum, plagen uns mit Erweiterungen ab)." Trotz dem von Lenin durchgeführten spartanischen Sparregime kam die Partei aus der Not nicht heraus. Die Zuweisung von zwei- bis dreitausend Kriegsrubeln an eine Lokalorganisation bildete jedesmal ein ernstes Problem für das Zentralkomitee. Für den Versand der Zeitungen an die Front mußte man immer neue und neue Sammlungen unter der Arbeiterschaft veranstalten. Und doch erreichten die bolschewistischen Zeitungen die Schützengräben in viel geringerer Anzahl als die Zeitungen der Versöhnler und Liberalen. Klagen darüber kamen dauernd. "Wir leben nur von Gerüchten über eure Zeitung", schrieben Soldaten. Im April hatte die Stadtkonferenz der Partei die Arbeiter Petrograds aufgerufen, in drei Tagen die fehlenden 75.000 Rubel für den Kauf einer Druckerei zu sammeln. Diese Summe kam mit Überschuß ein, und die Partei erwarb endlich eine eigene Druckerei, jene, die die Junker dann im Juli bis auf den Grund demolierten. Der Einfluß der bolschewistischen Parolen wuchs wie ein Steppenbrand. Doch blieben die materiellen Propagandamittel sehr kärglich. Das persönliche Leben der Bolschewiki gab noch weniger Anhaltspunkte zur Verleumdung. Was blieb da? Nichts letzten Endes als Lenins Reise durch Deutschland. Doch gerade diese Tatsache, die vor unerfahrenen Auditorien am häufigsten als Beweis für Lenins Freundschaft mit der deutschen Regierung in den Vordergrund gestellt wurde, bewies in Wirklichkeit das Gegenteil: ein Agent würde durch das feindliche Land geheim und voller Sicherheit gefahren sein; offen die Gesetze des Patriotismus im Krieg verletzen, dazu konnte sich nur ein seiner selbst völlig sicherer Revolutionär entschließen.
Das Justizministerium machte jedoch vor der Erfüllung der undankbaren Aufgabe nicht halt: nicht umsonst hatte es von der Vergangenheit Kader geerbt, die erzogen waren in der letzten Periode des Selbstherrschertums, als die Morde an liberalen Deputierten, von Schwarzhundert verübt, die dem ganzen Lande namentlich bekannt waren, systematisch unaufgedeckt blieben, während ein jüdischer Handlungsgehilfe aus Kiew beschuldigt wurde, Blut eines Christenknabens gebraucht zu haben. Unterzeichnet vom Untersuchungsrichter für besonders wichtige Angelegenheiten, Alexandrow, und dem Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofes, Karinski, wurde am 21. Juli die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens wegen Hochverrates gegen Lenin, Sinowjew, Kollontay und eine Reihe anderer Personen, darunter der deutsche Sozialdemokrat Helphand (Parvus), bekanntgegeben. Die gleichen Artikel des Strafgesetzbuchs 51, 10 und 108 dehnte man dann auf Trotzki und Lunatscharski aus, die am 23. Juli durch Militärabteilungen verhaftet wurden. Nach dem Text des Eröffnungsbeschlusses waren die Führer der Bolschewiki "als russische Bürger nach vorheriger Verabredung untereinander und mit anderen Personen zum Zwecke der
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