Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
Die Resolution des Exekutivkomitees vom 13. Juli bezeichnete die Haltung von Lenin und Sinowjew nicht nur als "ganz unzulässig", sondern forderte auch von der bolschewistischen Fraktion "die unverzügliche, kategorische und klare Verurteilung" ihrer Führer. Die Fraktion lehnte einmütig die Forderung des Exekutivkomitees ab. Indes gab es bei den Bolschewiki, mindestens bei den Spitzen, Schwankungen wegen Lenins Ausweichen vor der Untersuchung. Bei den Versöhnlern, auch den allerlinksten, rief Lenins Verschwinden einmütige Entrüstung hervor, nicht immer heuchlerische, wie Suchanows Beispiel zeigt. Der verleumderische Charakter des Materials der Konterspionage hatte bei ihm, wie wir wissen, von Anfang an außer Zweifel gestanden. "Die sinnlose Beschuldigung", schrieb er, "verflüchtigte sich wie Dunst. Durch nichts und von niemand wurde sie bestätigt, und man hörte auf, ihr zu glauben." Doch für Suchanow blieb es ein Rätsel, wie Lenin sich hatte entschließen können, der Untersuchung auszuweichen. "Das war etwas ganz Außerordentliches, Beispielloses, Unbegreifliches. Jeder gewöhnliche Sterbliche hätte unter den ungünstigsten Bedingungen Gericht und Untersuchung verlangt." Ja, jeder gewöhnliche Sterbliche. Aber ein gewöhnlicher Sterblicher hätte auch nicht Gegenstand wildesten Hasses der regierenden Klassen werden können. Lenin war kein gewöhnlicher Sterblicher und vergaß keine Minute die auf ihm lastende Verantwortung. Er wußte aus der Lage alle Schlußfolgerungen zu ziehen und die Schwankungen der "öffentlichen Meinung" zu ignorieren, im Namen der Aufgaben, denen sein Leben untergeordnet war. Donquichotterie und Pose waren ihm in gleicher Weise fremd.
    Zusammen mit Sinowjew verbrachte Lenin einige Wochen in der Umgebung Petrograds; nahe bei Sestroretzk, im Walde in einem Heuschober, mußten sie übernachten und vor Regen Schutz suchen. Als Heizer verkleidet, passierte Lenin auf einer Lokomotive die finnländische Grenze und hielt sich in der Wohnung des Helsingforser Polizeimeisters, eines früheren Petrograder Arbeiters, verborgen; später übersiedelte er näher an die russische Grenze nach Wyborg. Seit Ende September lebte er illegal in Petrograd, um am Tage des Aufstandes, nach fast viermonatiger Abwesenheit, in der offenen Arena zu erscheinen.
    Der Juli gestaltete sich zu einem Monat ausschweifender, schamloser und triumphierender Verleumdung; im August schon begann sie sich zu verflüchtigen. Genau einen Monat, nachdem die Verleumdung in Umlauf gesetzt worden war, hielt der sich treue Zeretelli es für nötig, in der Sitzung des Exekutivkomitees zu wiederholen: "Ich habe gleich am Tage nach den Verhaftungen auf die Anfrage der Bolschewiki öffentlich Antwort gegeben und gesagt: die der Anstiftung zum Aufstands vom 3. bis 5. Juli angeklagten Führer der Bolschewiki verdächtige ich der Verbindung mit dem deutschen Generalstab nicht." Weniger konnte man nicht sagen. Mehr zu sagen war unvorteilhaft. Die Presse der Versöhnlerparteien ging über Zeretellis Worte nicht hinaus. Da sie aber gleichzeitig erbittert die Bolschewiki als Helfershelfer des deutschen Militarismus entlarvte, so verschmolz die Stimme der Versöhnlerzeitungen politisch mit dem Geheul der übrigen Presse, die von den Bolschewiki nicht als "Helfershelfern" Ludendorffs, sondern als dessen Mietlingen sprach. Die höchsten Töne in diesem Chor kamen von den Kadetten. Russkije Wedomosti, das Blatt der liberalen Moskauer Professoren, berichtete, bei der Haussuchung in der Redaktion der Prawda sei angeblich ein deutscher Brief gefunden worden, in dem ein Baron aus Haparanda "das Vorgehen der Bolschewiki begrüßt", und "die Freude, die es in Berlin hervorrufen wird", voraussieht. Der deutsche Baron von der finnländischen Grenze wußte gut, welche Briefe die russischen Patrioten benötigten. Von solchen Berichten war die Presse der gebildeten Gesellschaft voll, die sich gegen die bolschewistische Barbarei verteidigte.
    Glaubten die Professoren und Advokaten ihren eigenen Worten? Dies anzunehmen, mindestens was die wichtigsten Führer betrifft, hieße, ihre politische Urteilskraft gar zu niedrig einschätzen. Wenn nicht prinzipielle und psychologische, so mußten allein schon sachliche Erwägungen ihnen die Sinnlosigkeit der Beschuldigung beweisen, - und vor allem finanzielle Erwägungen. Die deutsche Regierung hätte doch sicher den Bolschewiki nicht mit Ideen, sondern mit Geld helfen können. Aber gerade Geld hatten die

Weitere Kostenlose Bücher