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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Ausreden und verwandelte sie in eine schlechte Übersetzung aus einer fremden Sprache, wie sie ja selbst nur der Schatten einer fremden Vergangenheit war. Ludendorff indes trifft dafür gar keine Schuld.
    Die Reise Lenins durch Deutschland eröffnete der chauvinistischen Demagogie unerschöpfliche Möglichkeiten. Aber gleichsam um die dienende Rolle des Patriotismus in ihrer Politik grell zu beweisen, begann die bürgerliche Presse, die anfangs Lenin mit erkünsteltem Wohlwollen begegnet war, eine zügellose Hetze gegen sein "Germanophilentum" erst, nachdem sie sich seines sozialen Programms bewußt geworden war. "Land, Brot und Frieden?" Diese Parole konnte er nur aus Deutschland eingeführt haben. Zu dieser Zeit war noch nicht einmal die Rede von Jermolenkos Enthüllungen. Nachdem Trotzki und einige andere Emigranten, die sich auf der Rückkehr aus Amerika befanden, von der Militärkontrolle König Georgs in Halifax verhaftet waren, erstattete die britische Gesandtschaft in Petrograd der Presse einen offiziellen Bericht in einer unnachahmlichen anglo-russischen Sprache: "jene russischen Bürger auf dem Dampfer Chri-stianiafjord sind in Halifax angehalten worden, weil der englischen Regierung mitgeteilt wurde, daß sie mit einem von der deutschen Regierung subsidierten Plan, die russische Provisorische Regierung zu stürzen, in Verbindung ständen ... " Die Mitteilung des Sir Buchanan datierte vom 14. April: zu dieser Zeit war nicht nur Burstein, sondern auch Jermolen-ko auf dem Horizont noch nicht aufgetaucht. In seiner Eigenschaft als Außenminister war jedoch Miljukow gezwungen, durch den russischen Gesandten Nabokow die englische Regierung zu ersuchen, Trotzki aus der Haft freizugeben und nach Rußland durchzulassen. "Informiert über Trotzki nach dessen Tätigkeit in Amerika", schreibt Nabokow, "konnte es die englische Regierung nicht fassen: "Was ist es, böser Wille oder Blindheit?" Die Engländer zuckten die Achseln, begriffen die Gefahr, warnten uns." Lloyd George mußte aber nachgeben. In der Antwort auf die Frage, die Trotzki in der Petrograder Presse an den britischen Gesandten richtete, nahm Buchanan verlegen seine ursprüngliche Erklärung zurück und verkündete diesmal: "Meine Regierung hielt die Emigrantengruppe in Halifax zurück nur zwecks und bis zur Feststellung ihrer Persönlichkeit durch die russische Regierung ... Darauf läuft die ganze Sache mit dem Zurückhalten der russischen Emigranten hinaus." Buchanan war nicht nur Gentleman, sondern auch Diplomat.
    In einer Beratung der Reichsdumamitglieder Anfang Juni forderte Miljukow, der durch die Aprildemonstration aus der Regierung geschleudert worden war, die Verhaftung Lenins und Trotzkis, wobei er unzweideutig auf deren Verbindung mit Deutschland anspielte. Trotzki erklärte am nächsten Tage auf dem Sowjetkongreß: "Solange Miljukow diese Beschuldigung nicht beweist oder zurücknimmt, bleibt auf seiner Stirn das Brandmal des ehrlosen Verleumders." Milju-kow antwortete darauf in der Rjetsch, er sei "tatsächlich damit unzufrieden", "daß die Herren Lenin und Trotzki frei herumlaufen", die Notwendigkeit ihrer Verhaftung aber begründet er "nicht damit, daß sie Agenten Deutschlands seien, sondern damit, daß sie sich gegen das Strafgesetzbuch hinreichend versündigt hätten". Miljukow war Diplomat, ohne Gentleman zu sein. Die Notwendigkeit der Verhaftung Lenins und Trotzkis war ihm schon vor den Enthüllungen Jer-molenskos klar; die juridische Aufmachung der Verhaftung stellte eine Frage der Technik dar. Der Führer der Liberalen spielte politisch mit der scharfen Beschuldigung, lange bevor sie in "juridischer" Form in Umlauf gesetzt worden war.
    Die Rolle des Mythos vom deutschen Golde tritt am plastischsten in der farbigen Episode hervor, die der Geschäftsführer der Provisorischen Regierung, der Kadett Nabokow (nicht zu verwechseln mit dem eben zitierten russischen Gesandten in London), erzählt. In einer der Regierungssitzungen bemerkte Miljukow bei irgendeinem anderen Anlasse: "Es ist für niemand ein Geheimnis, daß das deutsche Geld unter den Faktoren, die zur Umwälzung beigetragen haben, seine Rolle spielte ..." Das sieht Miljukow sehr ähnlich, obwohl seine Formulierung deutlich gemildert ist. Nach Nabokows Darstellung benahm sich Kerenski, als sei der Teufel in ihn gefahren. Er riß seine Aktenmappe an sich, schlug damit auf den Tisch und schrie: "Nachdem Miljukow es gewagt hat, in meiner Gegenwart die heilige Sache der großen

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