Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
General Klembowski, schrieb nach drei Tagen: "Die Erfahrung hat gezeigt, daß jene Truppenteile sich als völlig kampfunfähig erwiesen, die häufig Ersatz erhielten. Die Armee kann nicht gesund sein, wenn die Quelle ihres Ersatzes verfault ist." Diese verfaulte Ersatzquelle war das russische Volk.
Am 16. Juli berief Kerenski im Hauptquartier eine Beratung der älteren Heerführer ein unter Beteiligung von Te-reschtschenko und Sawinkow. Kornilow fehlte: der Rückzug an seiner Front war in vollem Gange und kam erst nach einigen Tagen zum Stillstand, als die Deutschen selbst an der alten Staatengrenze haltmachten. Die Namen der Teilnehmer an der Beratung: Brjussilow, Alexejew, Russki, Klembowski, Denikin, Romanowski klangen wie das Echo einer in den Abgrund versunkenen Epoche. Vier Monate lang hatten sich die hohen Generale als halbe Leichen gefühlt. Jetzt wurden sie lebendig und bedachten den Ministerpräsidenten, der für sie die Verkörperung der sie belästigenden Revolution war, ungestraft mit boshaften Nasenstübern.
Nach Angaben des Hauptquartiers verlor die Armee der Südwestfront in der Zeit vom 18. Juni bis zum 6. Juli etwa 56.000 Mann. Unbeträchtliche Opfer im Kriegsmaßstabe! Aber die zwei Umwälzungen vom Februar und vom Oktober haben viel weniger gekostet. Was brachte die Offensive der Liberalen und Versöhnler außer Tod, Vernichtung und Elend? Die sozialen Erschütterungen vom Jahre 1917 haben das Gesicht eines Sechstels der Erde verändert und vor der Menschheit neue Möglichkeiten eröffnet. Grausamkeiten und Schrecken der Revolution, die wir weder bestreiten noch herabmindern wollen, fallen nicht vom Himmel: sie sind nicht zu trennen von der gesamten historischen Entwicklung.
Brussilow berichtete über die Resultate der vor einem Monat begonnenen Offensive: "Völliger Mißerfolg." Die Ursache besteht darin, daß "die Vorgesetzten, vom Kompaniechef bis zum Oberbefehlshaber, über keine Macht verfügen". Wie und weshalb sie sie verloren haben, sagte er nicht. Was die weiteren Operationen beträfe, so "können wir hierzu nicht vor dem Frühling bereit sein". Gemeinsam mit den anderen auf Repressalien pochend, sprach Klembowski zugleich Zweifel an deren Wirksamkeit aus. "Todesstrafe? Aber kann man denn ganze Divisionen hinrichten? Gerichtliche Strafverfolgungen? Aber dann säße die halbe Armee in Sibirien ..." Der Generalstabschef berichtete: "Fünf Regimenter der Petrograder Garnison sind aufgelöst. Die Anstifter dem Gericht übergeben ... Insgesamt sollen aus Petrograd etwa neunzigtausend Mann herausgeschafft werden." Das nahm man befriedigt zur Kenntnis. Niemand dachte darüber nach, welche Folgen die Evakuation der Petrograder Garnison nach sich ziehen würde.
Die Komitees? fragte Alexejew. "Sie müssen vernichtet werden ... Die nach Jahrtausenden zählende Kriegsgeschichte hat ihre Gesetze geschaffen. Wir wollten sie verletzen und haben ein Fiasko erlitten." Dieser Mensch verstand unter den Gesetzen der Geschichte die Dienstordnung. "Den alten Fahnen", prahlte Russki, "folgten die Menschen wie einem Heiligtum, starben dafür. Wozu aber haben es die roten Fahnen gebracht? Dazu, daß die Truppen sich jetzt korpsweise ergeben." Der hinfällige General hatte vergessen, daß er selbst im August I915 dem Ministerrat meldete: "Die modernen Ansprüche der Kriegstechnik gehen über unsere Kraft; jedenfalls können wir mit den Deutschen nicht Schritt halten." Klembowski unterstrich schadenfroh, daß eigentlich nicht die Bolschewiki die Armee zugrunde gerichtet hätten, sondern "andere", die eine untaugliche Kriegsgesetzgebung anwandten, "Menschen, die Lebensform und Daseinsbedingungen der Armee nicht begreifen". Das war direkt auf Kerenski gemünzt. Denikin griff die Minister noch entschiedener an: "Ihr habt sie in den Schmutz getreten, unsere ruhmreichen Kriegsfahnen, hebt ihr sie nun auch empor, wenn euch das Gewissen schlägt ... " Und Kerenski? Mangelnden Gewissens verdächtigt, dankte er demütig den Soldaten für "die offen und freimütig ausgesprochene Meinung". Die Deklaration der Soldatenrechte? "Wenn ich ch-mals, als sie entstand, Minister gewesen wäre, die Deklaration wäre nicht erlassen worden. Wer hat als erster die Sibirischen Schützen bezwungen? Wer als erster zur Niederwerfung der Unbotmäßigen Blut vergossen? Mein Beauftragter, mein Kommissar." Außenminister Tereschtschenko tröstet verbindlich: "Sogar mißglückt, hat unsere Offensive das Vertrauen der Alliierten zu uns
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