Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
seit jener Zeit fest in das politische Vokabularium der Revolution eingegangen. Er kam den Kapitalisten teuer zu stehen.
In Petrograd wurde der Kongreß der Gouvernements-Kommissare eröffnet. Agenten der Provisorischen Regierung, die planmäßig vor ihr wie eine Mauer hätten stehen sollen, schlossen sich in Wirklichkeit gegen sie zusammen und nahmen, unter Führung ihres kadettischen Kerns, den unglückseligen Innenminister Awksentjew aufs Korn. "Es ist unmöglich, zwischen zwei Stühlen zu sitzen: die Regierung muß regieren, nicht aber eine Marionette sein." Die Versöhnler verteidigten sich und protestierten halblaut, in Angst, ihren Streit mit den Verbündeten könnten die Bolschewi-ki belauschen. Der Minister-Sozialist verließ den Kongreß wie verbrüht.
Die sozialrevolutionäre und die menschewistische Presse begann allmählich eine Sprache des Wehklagens und Gekränktseins zu führen. Auf ihren Seiten begannen überraschende Enthüllungen zu erscheinen. Am 6. August veröffentlichte das sozialrevolutionäre Blatt Djelo Naroda (Volkssache) den Brief einer Gruppe linker Junker, den diese, unterwegs zur Front, abgeschickt hatten: die Autoren "waren über die Rolle erstaunt, in der die Junker sich betätigten ... systematisches Ohrfeigen, Beteiligung der Junker an Strafexpeditionen begleitet von Erschießungen ohne Gericht und Untersuchung, nur auf Befehl eines Bataillonskommandeurs ... Die erbitterten Soldaten schießen hinterrücks auf einzelne Junker ... " So sah die Arbeit zur Gesundung der Armee aus.
Die Reaktion griff an, die Regierung wich zurück. Am 7. August wurden die populärsten Schwarzhundertführer, die Rasputinschen Kreisen angehörten und an jüdischen Pogromen beteiligt gewesen waren, aus dem Gefängnis entlassen. Die Bolschewiki blieben im Krestygefängnis, wo ein Hungerstreik der verhafteten Arbeiter, Soldaten und Matrosen drohte. Die Arbeitersektion des Petrograder Sowjets schickte an jenem Tage eine Begrüßung an Trotzki, Lunatscharski, Kollontay und die übrigen Häftlinge.
Industrielle, Gouvernements-Kommissare, der Kosakenkongreß in Nowotscherkassk, die patriotische Presse, Generale, Liberale, alle waren der Ansicht, die Wahlen zur Konstituierenden Versammlung im September vorzunehmen sei völlig unmöglich; am besten wäre es, sie bis zum Kriegsende zu vertagen. Darauf konnte die Regierung jedoch nicht eingehen. Aber ein Kompromiß kam zustande: die Einberufung der Konstituierenden Versammlung wurde auf den 28. November vertagt. Nicht ohne Murren nahmen die Kadetten diese Frist an: sie rechneten fest damit, daß in den verbleibenden drei Monaten entscheidende Ereignisse geschehen müßten, die die Frage der Konstituierenden Versammlung selbst, auf eine andere Ebene hinüberleiten würden. Diese Hoffnungen wurden immer offener mit Kornilows Namen verknüpft.
Die Reklame für die Figur des neuen "Ober" stand von nun an im Zentrum der bürgerlichen Politik. Die Biographie "des ersten Volks-Oberbefehlshabers" wurde unter aktiver Mitwirkung des Hauptquartiers in unzähligen Exemplaren verbreitet. Wenn Sawinkow in seiner Eigenschaft als Leiter des Kriegsministeriums Journalisten gegenüber sagte: "Wir glauben", dann bedeutete das "Wir" nicht Sawinkow und Kerenski, sondern Sawinkow und Kornilow. Der Lärm um Kornilow zwang Kerenski, die Ohren zu spitzen. Es gingen immer hartnäckigere Gerüchte über eine Verschwörung, in deren Zentrum das Komitee des Offiziersverbandes beim Hauptquartier stände. Die persönliche Zusammenkunft von Regierungsoberhaupt und Armeeoberhaupt Anfang August schürte nur deren Antipathie. "Dieser leichtfertige Schwätzer will über mich kommandieren", mußte Kornilow sich sagen. - "Dieser beschränkte und unwissende Kosak will Rußland retten?" mochte wohl Kerenski denken. Beide hatten auf ihre Weise recht. Kornilows Programm, das Militarisierung der Betriebe und Eisenbahnen, Ausdehnung der Todesstrafe auf das Hinterland und Unterordnung des Petro-grader Militärbezirks mit Einschluß der Residenzgarnison unter das Hauptquartier umfaßte, wurde inzwischen in Versöhnlerkreisen bekannt. Hinter dem offiziellen Programm erriet man mühelos das andere, nicht ausgesprochene, aber desto realere. Die linke Presse schlug Alarm. Das Exekutivkomitee stellte eine neue Kandidatur für den Posten des Oberbefehlshabers in Person des Generals Tscheremissow auf. Von der bevorstehenden Entlassung Kornilows begann man offen zu sprechen. Die Reaktion wurde unruhig.
Am 6.
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