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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Schlagdamespieles, gewonnen. Die Versöhnler stürzten zum "Genossen Kerenski" mit unterdrückten Flüchen und offenem Flehen. Beide Parteien, Kadetten und Sozialisten, zwangen mühelos dem enthaupteten Ministerium den Beschluß auf, sich selbst zu liquidieren und Kerenski zu beauftragen, nach seinem persönlichen Ermessen die Regierung neu zu bilden.
    Um die ohnehin erschrockenen Mitglieder der Exekutivkomitees völlig einzuschüchtern, serviert man ihnen die letzten Berichte über die sich verschlechternde Lage an der Front. Die Deutschen bedrängen die russischen Truppen, die 1iberalen bedrängen Kerenski, Kerenski bedrängt die Versöhnler. Die Fraktionen der Menschewiki und Sozialrevolutionäre beraten die ganze Nacht zum 24. Juli, von Hilflosigkeit gequält. Endlich billigen die Exekutivkomitees mit einer Mehrheit von 147 gegen 46 Stimmen bei 42 Stimmenthaltungen eine nie dagewesene Opposition! - die Machtübergabe an Kerenski, ohne Bedingungen und ohne Einschränkungen. Auf dem gleichzeitig stattfindenden Parteitag der Kadetten ertönen Stimmen zum Sturze Kerenskis, doch Miljukow weist die Ungeduldigen zurecht und empfiehlt, sich vorläufig auf einen Druck zu beschränken. Das bedeutet nicht, daß Miljukow sich in bezug auf Kerenski Illusionen hingab. Doch sah er in ihm den Punkt zum Einsetzen der Kräfte der besitzenden Klassen. Die Regierung, von den Sowjets befreit, würde dann ohne Schwierigkeiten von Kerenski zu befreien sein.
    Unterdessen dürsteten die Götter der Koalition weiter. Die Verfügung über Lenins Verhaftung war der Bildung der Übergangsregierung vom 7. Juli vorausgegangen. Jetzt hieß es, durch einen Akt der Festigkeit die Auferstehung der Koalition auszuzeichnen. Bereits am 13. Juli erschien in Gorkis Zeitung - eine bolschewistische Presse gab es nicht mehr -ein offener Brief Trotzkis an die Provisorische Regierung. Er lautete: "Sie besitzen keine logischen Gründe, mich von der Wirkung des Dekrets, kraft dessen die Genossen Lenin, Sinowjew und Kamenjew zu verhaften sind, auszunehmen. Was die politische Seite der Sache betrifft, so können Sie nicht darüber im Zweifel sein, daß ich ein ebenso unversöhnlicher Gegner der Gesamtpolitik der Provisorischen Regierung bin wie die genannten Genossen." In der Nacht, als das neue Ministerium gebildet ward, wurden in Petrograd Trotzki und Lunatscharski und an der Front Fähnrich Krylenko, der spätere Höchstkommandierende der Bolschewiki, verhaftet.
    Die Regierung, die nach der dreiwöchigen Krise das Licht der Welt erblickte, sah wie ein verhutzeltes Kind aus. Sie bestand aus Figuren zweiten und dritten Aufgebots, ausgewählt nach dem Prinzip des kleinsten Übels. Stellvertretender Vorsitzender wurde Ingenieur Nekrassow, ein linker Kadett, der am 27. Februar vorgeschlagen hatte, zur Unterdrük-kung der Revolution die Macht einem der zaristischen Generale auszuliefern. Der parteilose und farblose Schriftsteller Prokopowitsch, der sich am Raine zwischen Kadetten und Menschewiki aufhielt, wurde Minister für Handel und Industrie. Ein ehemaliger Staatsanwalt, später radikaler Advokat, Sarudniy, Sohn des "liberalen" Ministers Alexanders II., wurde zur Leitung der Justiz berufen. Der Vorsitzende des Bauern-Exekutivkomitees, Awksentjew, erhielt das Portefeuille des Innenministers. Arbeitsminister blieb der Menschewik Skobeljew, Ernährungsminister der Volkssozialist Pe-schechonow. Von den Liberalen gerieten ebenso zweitrangige Figuren in das Kabinett, die weder vorher noch nachher eine führende Rolle spielten. Auf den Posten des Ackerbauministers kehrte recht unerwartet Tschernow zurück: in den vier Tagen, die zwischen seinem Rücktritt und seiner neuen Ernennung verstrichen waren, hatte er bereits Zeit gehabt, sich zu rehabilitieren. In seiner Geschichte bemerkt Miljukow gelassen, daß der Charakter von Tschernows Beziehungen zu den deutschen Behörden "unaufgeklärt blieb; es ist auch möglich", fügt er hinzu, "daß sowohl die Angaben der russischen Konterspionage wie die Verdächtigungen Kerenskis, Tereschtschenkos und anderer in dieser Hinsicht zu weit gegangen waren." Die Wiedereinsetzung Tschernows in das Amt des Ackerbauministers war nichts anderes als ein Tribut an das Prestige der regierenden Partei der Sozialrevolutionäre, wo Tschernow allerdings immer mehr an Einfluß verlor. Zeretelli dagegen blieb umsichtigerweise außerhalb des Ministeriums: im Mai hieß es, er würde innerhalb der Regierung der Revolution nützlich sein; jetzt

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