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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Napoleon noch auch nur Bismarck ähnelten: die Geschichte vermag sich auch mit Surrogaten zu begnügen. Aber sie hatten gegen sich eine große Revolution, die ihre Aufgaben noch nicht gelöst und ihre Kräfte noch nicht erschöpft hatte. Den Bauer, der noch keinen Boden erhalten hatte, zwang die Bourgeoisie, für den gutsherrlichen Boden Krieg zu führen. Der Krieg brachte nur Niederlagen. Von einem industriellen Aufstieg war nicht die Rede im Gegenteil, der Zerfall schuf immer neue Verwüstungen. Wenn das Proletariat zurückwich, dann nur, um seine Reihen fester zusammenzuschließen. Die Bauernschaft setzte sich erst in Schwung für den letzten Ansturm auf die Herren. Die unterdrückten Nationalitäten ergriffen die Offensive gegen den russifizierenden Despotismus. Auf der Suche nach Frieden schloß sich die Armee immer enger den Arbeitern und deren Partei an. Die unteren Schichten verschmolzen, die Spitzen wurden schwächer. Ein Gleichgewicht bestand nicht. Die Revolution blieb vollblütig. Da ist es nicht verwunderlich, daß sich der Bonapartismus als blutarm erwies.
    Marx und Engels verglichen die Rolle des bonapartistischen Regimes im Kampfe zwischen Bourgeoisie und Proletariat mit der Rolle der alten absolutistischen Monarchie im Kampfe zwischen Feudalen und Bourgeoisie. Ähnlichkeitszüge sind unbestreitbar, doch hören sie gerade dort auf, wo der soziale Inhalt der Macht hervortritt. Die Rolle des Schiedsrichters zwischen den Elementen der alten und der neuen Gesellschaft konnte in einer gewissen Periode sich als nötig erweisen, insofern beide Ausbeutungsregime eines Schutzes gegen die Ausgebeuteten bedurften. Doch schon zwischen den Feudalen und den leibeigenen Bauern konnte es keine "unparteiische" Vermittlung geben. Zwischen den Interessen des gutsherrlichen Bodenbesitzes und des jungen Kapitalismus ausgleichend, trat das zaristische Selbstherrschertum in bezug auf die Bauern nicht als Vermittler auf, sondern als Bevollmächtigter der ausbeutenden Klassen.
    Auch der Bonapartismus war nicht Schiedsrichter zwischen Proletariat und Bourgeoisie: er war in Wirklichkeit die konzentrierteste Macht der Bourgeoisie über das Proletariat. Indem er mit den Stiefeln auf den Nacken der Nation steigt, kann der jeweilige Bonaparte keine andere Politik verfolgen als die des Schutzes von Eigentum, Rente und Profit. Die Besonderheiten des Regimes erstrecken sich nur auf die Mittel des Schutzes. Der Wächter steht nicht am Tore, sondern sitzt auf dem Dache des Hauses; aber seine Funktion ist die gleiche. Die Unabhängigkeit des Bonapartismus ist im großen Maße eine äußerliche, zur Schau gestellte, dekorative: ihr Symbol ist der Imperatorenmantel.
    Wenngleich er geschickt die Angst des Bourgeois vor dem Arbeiter ausnutzte, blieb Bismarck in allen seinen politischen und sozialen Reformen unabänderlich Bevollmächtigter der besitzenden Klassen, denen er niemals untreu wurde. Dagegen erlaubte ihm der wachsende Druck des Proletariats zweifellos, sich über Junkertum und Kapitalismus als gewichtiger bürokratischer Schiedsrichter zu erheben: darin eben bestand seine Funktion.
    Das Sowjetsystem duldet eine bedeutende Unabhängigkeit der Macht gegenüber Proletariat und Bauernschaft, folglich auch die "Vermittlung" zwischen ihnen, insofern beider Interessen, wenn sie auch Reibungen und Konflikte erzeugen, in ihrer Grundlage jedoch nicht unversöhnlich sind. Aber es wäre nicht leicht, einen "unparteiischen" Schiedsrichter zu finden zwischen Sowjetstaat und Bourgeoisie, zumindest in der Sphäre der grundlegenden Interessen beider Parteien. Sich dem Völkerbund anzuschließen, hindern die Sowjetunion in der internationalen Arena die gleichen sozialen Ursachen, die im nationalen Rahmen die Möglichkeit einer wirklichen, nicht bloß zur Schau gestellten "Unparteilichkeit" der Macht im Kampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat ausschließen.
    Ohne die Macht des Bonapartismus zu besitzen, besaß die Kerenskiade alle seine Laster. Sie erhob sich über die Nation nur, um sie durch die eigene Ohnmacht zu ersetzen. Wenn in Worten die Führer der Bourgeoisie und der Demokratie auch versprachen, Kerenski zu "gehorchen", so gehorchte der allmächtige Schiedsrichter in Wirklichkeit Miljukow und besonders Buchanan. Kerenski führte den imperialistischen Krieg, schützte den gutsherrlichen Besitz gegen Attentate, vertagte die sozialen Reformen auf bessere Zeiten. War seine Regierung schwach, so aus dem gleichen Grunde, aus dem die

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