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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Macht kommen sollte, wurde jenseits der Schwelle gelassen als eine nicht der Beachtung werte Größe. Dafür wurde ernst genommen die völlig unbekannte "Partei des evolutionären Sozialismus". Kerenski trat auf als Verkörperung von Macht und Willen. Von der Koalition, die sich in der Vergangenheit restlos erschöpft hatte, sprach man wie von einem Rettungsmittel der Zukunft. Der von den Soldatenmillionen gehaßte Kornilow wurde begrüßt als der beliebte Armee- und Volksführer. Monarchisten und Schwarzhundert beteuerten ihre Liebe zur Konstituierenden Versammlung. Alle jene, denen bald bevorstand, aus der politischen Arena zu verschwinden, hatten sich gleichsam verabredet, zum letztenmal ihre besten Rollen auf den Theaterbrettern zu spielen. Mit aller Kraft drängte es sie, zu sagen: dies möchten wir sein, dies wären wir, wenn man uns nicht hindern würde. Aber man hinderte sie: Arbeiter, Soldaten, Bauern, unterdrückte Nationalitäten. Dutzende Millionen "meuternder Sklaven" wehrten ihnen, ihre Treue zur Revolution zu bekunden. In Moskau, wo sie Zuflucht suchten, folgte ihnen der Streik auf den Fersen. Gehetzt von "Finsternis", "Unbildung", "Demagogie", verpflichteten die zweieinhalbtausend Menschen, die das Theater füllten, einander stillschweigend, die Bühnenillusion nicht zu stören. Vom Streik wurde nicht gesprochen. Man war bemüht, die Bolschewiki nicht bei Namen zu nennen. Nur Plechanow gedachte so nebenbei "des Lenin traurigen Angedenkens", als wäre die Rede von einem völlig erledigten Gegner. Der Charakter des Negativs war somit restlos durchgehalten: im Reiche der Schatten, die halb schon dem Jenseits angehörten, sich aber als die "lebendigen Kräfte des Landes" ausgaben, konnte ein wirklicher Volksführer nicht anders figurieren denn als politische Leiche.
    "Der glänzende Zuschauerraum", schreibt Suchanow, "war ziemlich scharf in zwei Hälften geteilt, rechts Bourgeoisie, links Demokratie. Rechts, im Parterre und in den Logen, konnte man nicht wenig Generalsuniform sehen, links - Fähnriche und Gemeine. Der Bühne gegenüber, in der ehemaligen Zarenloge, saßen die höheren diplomatischen Vertreter der alliierten und befreundeten Mächte ... Unsere Gruppe, die äußerste Linke, nahm einen kleinen Winkel des Parterres ein." Die äußerste Linke bildeten, bei Abwesenheit der Bolschewiki, die Gesinnungsgenossen Martows.
    Gegen vier Uhr erschien auf der offenen Bühne Kerenski in Begleitung zweier junger Offiziere, von Armee und Marine; Sinnbilder der Stärke der revolutionären Macht, standen sie die ganze Zeit wie festgewurzelt, hinter dem Rücken des Vorsitzenden. Um die Rechten durch das Wort Republik nicht zu reizen - so war es vorher verabredet worden -, begrüßte Kerenski die "Vertreter der russischen Erde" im Namen der Regierung des "russischen Reiches". "Der Grundton der Rede", schreibt ein liberaler Historiker, "war statt des Tones der Würde und Sicherheit, unter dem Einfluß der letzten Tage ... der Ton schlecht verhüllter Angst, die der Redner gleichsam in seinem Innern durch hohe Töne der Drohung zu beschwichtigen suchte." Ohne die Bolschewiki direkt zu nennen, begann Kerenski mit einer Warnung an ihre Adresse: Neue Versuche, die Macht anzutasten, "werden mit Eisen und Stahl unterdrückt werden". Im stürmischen Beifall verschmolzen beide Flügel der Beratung. Die ergänzende Drohung an die Adresse des noch nicht eingetroffenen Kornilow: "Welche Seite mir auch Ultimata stellen sollte, ich werde in der Lage sein, sie dem Willen der obersten Staatsgewalt und mir, ihrem Oberhaupt, unterzuordnen", fand zwar ebenso begeisterten Beifall, doch jetzt ausschließlich bei der linken Hälfte der Beratung. Kerenski kommt immer wieder auf sich, als das "Oberhaupt", zurück: er bedarf dieser Selbstbestätigung. "Euch da, die ihr von der Front gekommen seid, euch sage ich, euer Kriegsminister und Oberster Führer ... , es gibt in der Armee keine Macht und keinen Willen, die höher sind als Wille und Macht der Provisorischen Regierung." Die Demokratie ist begeistert über diese dräuenden Blindgänger, denn sie glaubt auf diese Weise der Notwendigkeit zu entgehen, zu Blei Zuflucht nehmen zu müssen.
    "Alle besten Kräfte des Volkes und der Armee", versichert das Regierungshaupt, "haben den Triumph der russischen Revolution mit unserem Triumph an der Front verknüpft. Aber unsere Hoffnungen wurden zertreten, und unser Glaube wurde bespien." Das ist das lyrische Fazit der Junioffensive. Er,

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