Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
der "lebendigen Kräfte", "und ich bin hier heraufgekommen, um von dieser Stelle aus Rußland zuzurufen: Gerate nicht in Verwirrung, Teures, fürchte dich nicht, Geliebtes. Sollte für Rußlands Rettung ein Wunder nötig sein, dann wird auf die Gebete der Kirche hin Gott ein Wunder tun." Zum Schutze der Kirchengüter bevorzugten die rechtgläubigen Herrscher Kosakenkommandos. Der Kern der Rede bestand jedoch nicht darin. Der Erzbischof beklagte sich darüber, "er habe in den Referaten der Regierungsmitglieder nicht ein einziges Mal, auch nicht versehentlich, das Wort Gott vernommen". Wie Kornilow die Revolutionsregierung der Zersetzung der Armee beschuldigte, so überführte Platon "jene, die heute unser gottliebendes Volk verkörpern", des verbrecherischen Unglaubens. Die Kirchenmänner, die sich vor Rasputin im Staube gekrümmt hatten, wagten es jetzt öffentlich, der Regierung der Revolution Gott zu predigen.
Eine Deklaration von zwölf Kosakenarmeen verlas General Kaledin, dessen Name in jener Periode beharrlich unter den gewichtigsten Namen der Militärpartei genannt wurde. Kaledin, der, nach den Worten eines seiner Panegyriker, "nicht mochte und nicht verstand, der Menge nach dem Mund zu reden", "entzweite sich deshalb mit General Brussi-low und wurde als dem Geiste der Zeit nicht entsprechend seines Armeekommandos enthoben". Anfang Mai nach dem Don zurückgekehrt, war der Kosakengeneral bald danach zum Ataman der Dontruppen gewählt worden. Er hatte als Haupt des ältesten und stärksten der Kosakenheere den Auftrag, das Programm der privilegierten Kosakenspitzen zu präsentieren. Den Verdacht, konterrevolutionär zu sein, zurückweisend, erinnerte die Deklaration unsere MinisterSozialisten unhöflich daran, daß sie in der Minute der Gefahr zu den Kosaken gekommen waren, Hilfe zu suchen gegen die Bolschewiki. Der barsche General bestach unerwartet die Herzen der Demokraten, indem er weit vernehmbar das Wort aussprach, das laut zu nennen Kerenski nicht gewagt hatte: Republik . Die Mehrheit des Saales und besonders eifrig Minister Tschernow applaudierte dem Kosakengeneral, der ganz ernstlich von der Republik das forderte, was zu geben das Selbstherrschertum nicht mehr die Kraft gehabt hatte. Einst prophezeite Napoleon, Europa werde kosakisch oder republikanisch sein. Kaledin war willens, Rußland republikanisch zu sehen unter der Bedingung, daß es nicht aufhöre, kosakisch zu sein. Nachdem er die Worte verlesen: "Für Defätisten darf es keinen Platz in der Regierung geben", wandte sich der undankbare General dreist dem unglückseligen Tschernow zu. Der Bericht einer liberalen Zeitung vermerkt: "Alle Blicke sind auf den tief über den Tisch gebeugten Tschernow gerichtet." Durch keinerlei offizielle Stellung gebunden, entwickelte Kaledin das Kriegsprogramm der Reaktion restlos: Komitees abschaffen, Macht der Vorgesetzten wiederherstellen, Hinterland der Front angleichen, Soldatenrechte revidieren, das heißt zunichte machen. Beifall von rechts vermischt sich mit Protesten und sogar Pfeifen von links. Die Konstituierende Versammlung müsse "im Interesse ruhiger und planmäßiger Arbeit" nach Moskau einberufen werden. Die vor der Beratung ausgearbeitete Rede hielt Kaledin einen Tag nach dem Generalstreik, so daß der Satz von der "ruhigen Arbeit" in Moskau wie Hohn klang. Das Auftreten des Kosakenrepublikaners brachte schließlich die Temperatur im Saale zur Siedehitze und bewog Kerenski, Autorität zu entwickeln: "Es steht in dieser Versammlung niemand zu, sich mit Forderungen an die Regierung zu wenden." Weshalb aber war dann die Beratung einberufen worden? Purischkewitsch, ein populärer Schwarzhun-dertler, schrie von seinem Platze aus: "Wir spielen die Rolle von Regierungsassistenten!" Zwei Monate zuvor hatte dieser Pogromheld noch nicht gewagt, den Kopf vorzustecken.
Die offizielle Deklaration der Demokratie, ein endloses Dokument, das auf alle Fragen Antwort zu geben suchte, ohne auch nur eine einzige zu beantworten, verlas Tschcheidse, der von links mit heißem Beifall begrüßt wurde. Rufe: "Es lebe der Führer der russischen Revolution!" mußten den bescheidenen Kaukasier verlegen machen, der sich am wenigsten als Führer fühlte. Im Tone einer Selbstverteidigung verkündete die Demokratie, daß sie "die Macht nicht angestrebt, kein Monopol für sich gewollt" habe. Sie sei bereit, jede Regierung zu unterstützen, die fähig wäre, die Interessen des Landes und der Revolution zu schützen. Doch man
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