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Geschichte der Tuerkei

Geschichte der Tuerkei

Titel: Geschichte der Tuerkei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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der Stationierung von 20 britischen Geschwadern auf türkischen Luftbasen. Ansonsten drohe nach einem Friedensschluss die internationale Isolation des Landes. Die türkische Seite blieb jedoch angesichts der anhaltenden Umkreisung durch die Wehrmacht von der Krimhalbinsel bis zum Dodekanes bei ihrer Haltung. Erst 1943 löste Deutschland vereinbarungsgemäß England als Empfänger türkischer Chromlieferungen ab, nachdem Albert Speer Hitler vor dem Ausbleiben dieses Rohstoffs gewarnt hatte. Die Vorräte Deutschlands wären nach fünf Monaten zu Ende gegangen. Auf Druck der Alliierten musste die Türkei aber Ende April 1944 ihre Chromexporte einstellen.
    Auch an anderer Stelle bewies Ankara Einsicht in die veränderte Großwetterlage. Großbritanniens Außenminister Eden hatte vor dem Unterhaus über die türkische Praxis geklagt, deutschen «Handelsschiffen» mit Kriegsmaterial die Durchfahrt durch Dardanellen und Bosporus ins Schwarze Meer zu gestatten. Als auf britisches Drängen hin der Frachter
Kassel
durchsucht und festgestellt wurde, dass er Waffen transportierte, musste Außenminister Numan Menemencioglu am 15. Juni 1944 zurücktreten. Jetzt distanzierte sich İnönü auch von turanistischen Richtungen, die einen aggressiven Rassismus mit dem Ziel der «Befreiung» der Russlandtürken verbanden. Ihre prominenten Vertreter, darunter ihr Vordenker Nihal Atsız, wurden verhaftet und verurteilt. Am 2. August 1944 folgte die Türkei endlich der Empfehlung der Westalliierten, die Beziehungen zu Deutschland abzubrechen. Alle nicht als Emigranten anerkannten Deutschen wurden ausgewiesen oder in drei anatolischen Städten «konfiniert». Die im letzten Moment erfolgten Kriegserklärungen an Deutschland und Japan (23. und 28. Februar 1945) verschafften der Türkei die Einladung zur Gründungskonferenz der Vereinten Nationen in San Francisco (25. April 1945). «Die türkischen Politiker hatten richtig gepokert.» (Fikret Adanir).
    Insbesondere die Jahre zwischen 1940 und 1944 hatten die Bevölkerung in Stadt und Land schwer belastet. Bald nach Kriegsbeginn betrugen die Militärausgaben die Hälfte des Haushalts. Die 50 Divisionen der türkischen Streitkräfte waren, wie der britische General Marshall-Cornwall nach einer Inspektion türkischer Militärbasen meldete, die er auf Wunsch Churchills im November 1940 durchgeführt hatte, eine «Pfeil-und-Bogen-Armee», die nicht die geringste Aussicht habe, einer deutschen Invasion standzuhalten. Ihre Feldartillerie stütze sich noch vollständig auf Pferde. Deutsche Panzer würden Thrakien rasch besetzen, die Luftwaffe Istanbul in kürzester Zeit lähmen. Passive Maßnahmen wie der Luftschutz mit Hilfe von Verdunkelung und Bunkern wurden nur in Ansätzen wirksam. Ab 1941 dienten Nichtmuslime aus Istanbul und Thrakien im sogenannten 20. Reservekorps, das eher wie ein Strafbataillon als wie ein militärischer Ersatzdienst funktionierte. 1942 wurde die Wehrpflicht auf drei Jahre erhöht, im staatlichen Sektor die Pflichtarbeitszeit verlängert. Wie im Ersten Weltkrieg waren Frauenarbeit und weibliche Hilfskomitees allerorten sichtbar. Auf dem Land nahm die Belastung von Alten, Frauen und Kindern immer mehr zu. Um die von ca. 120.000 auf über 1,5 Millionen Soldaten gewachsene Armee und die Einwohner der Städte zu versorgen, griff der Staat nach der Erschöpfung der Vorratslager zu Zwangsmaßnahmen.
    Ab Februar 1941 wurden die Bauern, die immer noch mehr als 80 % der 20 Millionen-Bevölkerung ausmachten, gezwungen, ihre Produkte, vor allem Weizen, zu weit unter dem Marktwert liegenden Preisen zu verkaufen. Die Ausgabe von Brotkarten für die Bevölkerung der drei Großstädte Istanbul, İzmir und Ankara sowie von Zonguldak Anfang 1942 zeigte den begrenzten Erfolg dieser Maßnahme; kurz danach mussten die Rationen auf 300 Gramm täglich herabgesetzt werden. Im Sommer 1943 wurde die berüchtigte, an den abgeschafften Zehnten gemahnende Steuer auf Agrarprodukte (
Toprak Mahsulleri Vergisi,
TMV) eingeführt. Der Mangel an Erntearbeitern, Zugvieh, Transportmitteln, Saatgut und Dünger führte schon jetzt zu einem Rückgang der bestellten Ackerflächen um 15 % im Vergleich zur Vorkriegszeit, bei Kriegsende lag der Wert bei 51 %(Şevket Pamuk). Zuständig für den Getreideankauf war seit 1938 das «Amt für Agrarprodukte» (
Toprak Mahsulleri Ofisi,
TMO). Das verhasste
Ofis
hatte die Aufgabe, Depots und Mühlen zu errichten und die Zivilbevölkerung sowie die

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