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Geschichte der Tuerkei

Geschichte der Tuerkei

Titel: Geschichte der Tuerkei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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Holzmeister 1938–1963, Naturwissenschaftliche Fakultät 1943–1945). Allerdings scheiterte das ehrgeizige Vorhaben eines groß angelegten Campus für eine Technische Universität Ankara. Gleichzeitig aber nahmen die Anstrengungen zu, auch die Infrastruktur der Provinzstädte zu modernisieren.
    Die Übersicht zeigt, dass die Stadtoberhäupter nicht allein notwendige technische Verbesserungen im Auge hatten, sondern vielfach auch die Beseitigung unerwünschter Erinnerungen an den Habitus einer «orientalischen» Stadt wie Sackgassen, Derwischerien oder herkömmliche Friedhöfe. Eine gegenläufige Tendenz war das irreguläre Wachstum der «über Nacht gebauten» Siedlungen (
gecekondus
), von denen in Ankara, das bei Kriegsende 226.712 Einwohner zählte, bereits 37.272 registriert wurden.
Städtische Projekte
1923
1933
1938
1945
Elektrizitätswerke
4
94
150
202
Moderne Trinkwasserversorgung
20
185
245
?
Schlachthöfe
17
93
114
220
Sportanlagen
7
184
198
220
Parks und Gärten
29
209
304
536
Zeitgenössische Friedhöfe


22
51
Straßenpflaster (in km)
578
1480
5657
3445
    Quelle: İlhan Tekeli und İlber Ortaylı: Türkiye’de belediyeciliğin evrimi, Ankara 1978
    In den 17 Provinzen Ostanatoliens lebten zwischen 1935 und 1940 etwa 18–19 % der türkischen Bevölkerung. Ihre Lage hatte sich in der frühen Republik nur partiell verbessert. Abgesehen von Investitionen in militärische und polizeiliche Strukturen, in den Eisenbahn- und den strategischen Fernstraßenbau lagen dieAusgaben im Osten teils
unter
– etwa in Bildung und Landwirtschaft –, teils nur
geringfügig über
den nationalen Mittelwerten. So betrugen die Pro-Kopf-Ausgaben des Gesundheitsministeriums zwischen 1943 und 1945 im Durchschnitt 2,50 Lira, in den Ostprovinzen 2,68 Lira. 1944 verfügten die größten Krankenhäuser in Erzurum nur über 170, in Diyarbakır nur über 145 Betten. Die Landbevölkerung empfand insbesondere den Mangel an Nebenstraßen, die Atatürk schon 1924 durchaus problembewusst als «Flügel des Bauern» bezeichnet hatte, als schwierig. Abgesehen von den geschilderten Erschwernissen der Kriegszeit wurde die Nation in diesen Jahren von einer der folgenreichsten Naturkatastrophen ihrer Geschichte heimgesucht. Das Erzincan-Beben vom 27. Dezember 1939 forderte 32.000 Menschenleben und zerstörte 45.000 Häuser. Die Wiederherstellung der Stadt war in den frühen 1950er Jahren noch nicht abgeschlossen. Erst nach dem weiteren schweren Beben von 1992 gelang ein im Wesentlichen erdbebengerechter Wiederaufbau. Angesichts der geringen Ressourcen und der natürlichen Disparitäten zwischen Ost und West konnte es der Regierung nicht gelingen, in wenigen Jahren eine spürbare Minderung dieses Gefälles herbeizuführen. So blieb es bei Versprechungen der Politiker, die Städte des Ostens so auszubauen wie das stets prosperierende Bursa. Auch nach Jahrzehnten kehrte sich die Tendenz nicht um: «Der relative Entwicklungsunterschied zwischen dem Westen und dem Osten des Landes tendiert also dazu, sich zu vergrößern, und der Staat hat zur Zeit weder das Geld noch die Machtmittel, um diesem Trend nachhaltig entgegenzuwirken.» (Wolf-Dieter Hütteroth 1982).
    Das Regime der CHP betrieb im Rückblick auf die Weltkriegsjahre weder eine volksnahe noch eine solidarische Politik. Der Aufstieg der Demokratischen Partei nach 1946 erklärt sich zu einem großen Teil aus dem Fiasko im ländlichen Raum. Auch wenn die Türkei während ihrer unausgesprochenen Mobilmachung nur mit Einschränkungen eine Insel des Friedens war, ersparte ihr jedoch die elastische, vorsichtige Politik eine Besetzung, wie sie die Sowjetunion und Großbritannien im Nachbarland Iran vornahmen. Am Ende erwies sich ihre militärische Schwäche als ihr größter Trumpf.

6. Ein demokratisches Experiment (1945–1960)
    Das Kriegsende stellte die türkische Führung vor die Aufgabe einer außenpolitischen Neuausrichtung. Bei der Eröffnung der Nationalversammlung am 1. November 1945 rechtfertigte İnönü die Neutralitätspolitik während des Kriegs und versprach direkte Wahlen im Jahr 1947. Moskau kündigte am 19. März 1946 den Neutralitätsvertrag vom 17. Dezember 1925, «weil er den durch den Zweiten Weltkrieg bewirkten tiefgreifenden Veränderungen nicht mehr entspreche». Gleichzeitig wurde in mündlicher Form die erneute Abtretung von großen Gebieten im Südkaukasus (Kars, Ardahan, Artvin) verlangt, die dem zaristischen Russland 1878 zugeschlagen worden waren.

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