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Geschichte der Tuerkei

Geschichte der Tuerkei

Titel: Geschichte der Tuerkei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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vorläufigen Regierung unter Makarios zu. Nachdem die britische Kronkolonie im April 1960 die Unabhängigkeit erlangt hatte, wurde eine Regierung gebildet, in der auch Minister der türkischen Minderheit (18,3 % von ca. 573.000 Einwohnern) saßen. Fazil Küçük wurde zum Vizepräsidenten ernannt. Blutige Auseinandersetzungen zwischen den auf die ganze Insel verteilten Volksgruppen erreichten Ende 1963 ihren Höhepunkt. Das ohnehin gestörte Verhältnis zu Griechenland wurde in diesen Jahren schier irreparabel beschädigt. Als Ankara drohte, seinen Schutzbefohlenen mit militärischen Mitteln beizustehen, richtete der amerikanische Präsidenten Lyndon B. Johnson ein Schreiben an İnönü, in dem er die Türkei ermahnte, sich in Zypern nicht einzumischen. Inhalt und Ton des erst 1966 bekannt gegebenen Briefs zerrütteten die türkisch-amerikanischen Beziehungen für Jahre (ein Waffenembargo wurde erst 1975 und dann nur teilweise aufgehoben). Nach Angriffen der zyprisch-griechischen Armee auf türkische Dörfer wurde Ende 1967 eine «vorübergehende» türkische Selbstverwaltung ausgerufen. Am 15. und 16. Juli 1974 führte ein vom Athener Obristen-Regime organisierter Staatsstreich zur Entmachtung von Makarios. Nikos Sampson, ein Anhänger des Anschlusses an Griechenland (
Enosis
), erklärte sich zum Präsidenten. Daraufhin landeten am 20. Juli türkische Truppen auf Zypern, die zwar auf Vermittlung der UNO nach zwei Tagen die Kämpfe einstellten, bei einem zweiten Vorstoß bis zum 16. August jedoch rund 40 % des Territoriums nördlich der sogenannten Attila-Linie einnahmen. Die Türkei berief sich dabei auf ihr Interventionsrecht nach dem Londoner Zypern-Abkommen von 1959. Etwa ein Drittel der 640.000 Einwohner der Insel musste Städte und Dörfer verlassen: 180.000 Griechen zogen in den Süden, 45.000 Türken in den Norden der Insel, der in der Folge ein völkerrechtlich prekäres Anhängsel der Republik Türkei wurde. Einen Monat später zerbrach die Koalition Ecevit-Erbakan, vordergründig weil Ecevit bei einer AuslandsreiseErbakan nicht mit der Vertretung beauftragt hatte, eigentlich, weil diesem der Ministerpräsident in der Zypern-Frage nicht radikal genug vorging.
    Süleyman Demirel begab sich im Folgenden mit wechselnden Koalitionen (1975–1977, 1979–12. September 1980) in einen permanenten Machtkampf mit Ecevit. Beide Politiker gingen Bündnisse mit Necmettin Erbakan ein, der seine Wähler seit 1973 in weniger entwickelten Gegenden unter kleinen Geschäftsleuten und Handwerkern (
esnaf
) rekrutierte und auch im Osten wegen seines schwächeren nationalistischen Profils unter Kurden viele Anhänger fand. Der habilitierte Maschinenbauingenieur Erbakan mobiliserte mit seiner Kampagne für einen gemeinsamen islamischen Markt, eine starke türkische Rüstungsindustrie («Panzer gegen Öl») sowie einem massiven Antisemitismus («Seit 5700 Jahren regieren die Juden die Welt») große Teile der nationalreligiösen Wählerschaft.
    Darüber hinaus holte Demirel zweimal den ultrarechten Alparslan Türkeş (siehe S. 90) in Kabinette der «Nationalen Front». Der auf Zypern geborene Türkeş war einer der wichtigsten, jedoch bald ausgegrenzten Akteure des 27. Mai 1960. Als Führer der 1969 gegründeten «Nationalen Aktionspartei» (
Milli Hareket Partisi,
MHP) ließ er sich mit dem alttürkischen Titel
başbuğ
(«Kommandant») ansprechen. Symbol der Partei war der «Graue Wolf», eine Figur aus der vorislamischen Mythologie Zentralasiens. Bald erweiterte er seine großtürkischen Visionen («Eine Türkei von der Adria bis China») um islamische Bekenntnisse. Die jugendlichen Anhänger der MHP waren in den unruhigen 1970er Jahren entscheidend an den alltäglichen Terroraktionen gegen Liberale und Linke beteiligt, gerieten aber auch schnell in Konflikt mit Erbakans Gefolgschaft.
    Seit 1976 erschütterten zahlreiche Anschläge das Land. Am 1. Mai 1977 lösten während der Veranstaltung des «Revolutionären Gewerkschaftsdachverbands» DİSK auf dem Taksim-Platz in Istanbul Schüsse von Hausdächern eine Panik aus. Dabei kamen 34 Menschen zu Tode. Die Provokateure wurden nie identifiziert. Im südosttürkischen Kahramanmaraş fielen im Dezember1978 mehr als 100 Menschen, überwiegend Aleviten, einem regelrechten Pogrom zum Opfer, etwa 300 wurden verwundet, 500 Häuser und Läden zerstört. Im Juli 1980 riefen rechtsreligiöse Gruppen nach einem Anschlag auf eine Moschee im zentralanatolischen Çorum zum

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