Geschichte des Kapitalismus
Generationen überdauern würde. Die Herausbildung von
Unternehmen
mit eigener Rechtsperson,unterscheidbar vom Haushalt ihrer Eigner und Betreiber, oft mit einer Vielfalt von überdies wechselnden Eigentümern, stellt eine in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Weiterentwicklung des mittelalterlichen Kaufmannskapitalismus seit dem 13., vor allem im 14. und 15. Jahrhundert dar, die im älteren Kaufmannskapitalismus Chinas und Arabiens offenbar fehlte. Die insgesamt eher bescheidene, auf Warenhandel (ohne gröÃere Geld- und Kreditgeschäfte) spezialisierte und sich vor allem im Textilbereich engagierende «GroÃe Ravensburger Gesellschaft» existierte 150 Jahre (1380â1530).
Dieser handelskapitalistische Ausbau im hohen und späten Mittelalter wäre ohne die Erfindung neuer Methoden und ohne die Bereitstellung neuer Rechtsformen nicht möglich gewesen. Die doppelte Buchführung, die Soll und Haben genau und jederzeit abrufbar gegeneinander stellte und die Sombart als essentielles Kriterium des Kapitalismus wertete, war in norditalienischen Handelsstädten spätestens im 14. Jahrhundert in Gebrauch und galt lange als Methode «alla Veneziana». In der Handelspraxis brachte man neue, bald auch in Regelwerken bekanntgemachte Mittel der bargeldlosen Kreditvergabe, des Wechselgeschäfts und des Terminhandels hervor. Damit erweiterte man, ganz entscheidend, die räumliche und die zeitliche Dimension, innerhalb deren kaufmannskapitalistische Geschäfte stattfinden konnten. Sicherlich wurden dabei nicht nur die arabisch-indischen Ziffern â und die Null â aus dem Orient übernommen (um 1200), die das schriftliche Rechnen erleichterten, sondern es wurde auch manche Handels- und Rechnungsmethode von den arabischen Konkurrenten und Partnern abgeschaut. Unterschiedliche Rechtsformen auch für Teilhaberschaft, Partnerschaft und Kapitalvereinigung wurden entwickelt, mit Ansätzen zur Ermöglichung von Kapitalanteilen mit beschränkter Haftung (aber wohl noch ohne die Möglichkeit, Anteile zu handeln). Die wiedererweckte Tradition des Römischen Rechts mit seiner formalen Rationalität und vertragsfreundlichen Ausgestaltung half dabei mit, ohne entscheidend zu sein.[ 28 ]
Im Unterschied zu Arabien und, wie es scheint, auch zu China bewies der süd-europäische und west-europäische Kaufmannskapitalismuseine auffallende Dynamik: Er dehnte sich über den Handel hinaus aus, zum einen in Richtung
Finanzkapitalismus
mit eigenständigen Institutionen und besonderer Nähe zu den politischen Mächten, zum anderen durch erste Ansätze des Eindringens in die Welt der
Produktion.
Bankgeschäfte â Geldwechsel, die Aufnahme und Vergabe von Krediten, Wechsel- und Girogeschäfte, die den Zahlungsverkehr vereinfachten und eigene Gewinnchancen boten, auch der Handel mit Wechselbriefen seit dem 14. Jahrhundert â enthielten spekulative Momente von Anfang an und wurden in dem MaÃe, in dem sie aufkamen, von den Kaufleuten mit erledigt. Als diese Geschäfte im späten Mittelalter an Umfang, Komplexität und Bedeutung rasch zunahmen, wurden sie nur zum kleineren Teil von jüdischen oder lombardischen Pfandleihern wahrgenommen, die in groÃer Zahl existierten, vor allem Konsumentenkredite gaben, die Not der kleinen Leute ausnutzten, oft exorbitante Zinsen nahmen und als Wucherer verschrien waren. Vielmehr wandten sich diesem Geschäft gestandene oder aufstrebende Kaufleute zu, die sich zunehmend aufs Geldgeschäft spezialisierten, wenngleich sie den Handel mit Waren nicht völlig abstieÃen. Banken entstanden in Genua seit dem 12., in Venedig seit dem 13., in der Toskana seit Anfang des 14. Jahrhunderts. Die florentinischen Banken â schon achtzig um 1350 â wurden europaweit führend und blieben es bis zum Ende des Mittelalters. Sie waren zumeist als familienbasierte Handelsgesellschaften organisiert und von mehreren Partnern getragen, die Kapital einzahlten, sich an der Leitung beteiligten und die Gewinne aufteilten. Die drittgröÃte Bank in Florenz, die Acciaiuoli-Bank, zählte 1341 sechzehn Filialen in verschiedenen Ländern, elf Partner, zweiunddreiÃig Manager und eine groÃe Anzahl von Angestellten. Auch die Bardis, Peruzzis und im 15. Jahrhundert die Strozzis und Medicis erreichten dieses Format von transnationalen GroÃunternehmen. Sie verdienten nicht nur an den genannten
Weitere Kostenlose Bücher