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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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hinnehmen, sondern intervenieren.
    Das Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht der Völker Lateinamerikas und der Herrschaftsanspruch der USA lagen nahe beieinander. Die Vereinigten Staaten waren seit ihrer Gründung eine potentielle Großmacht. Mit der Monroe-Doktrin traten sie erstmals als tatsächliche Großmacht auf. Das «informal empire», das sich seit 1823 abzeichnete, war aber noch mehr: Die Proklamation eines panamerikanischen Großraumes, in dem für europäische Mächte ein Interventionsverbot galt, bedeutete die bisher radikalste Infragestellung des europäischen Anspruchs auf Weltbeherrschung und die Grundlegung des Aufstiegs der Vereinigten Staaten zur Weltmacht.
    Daß Monroe in seiner Abschiedsbotschaft versprach, bestehende Kolonien oder andere Arten der Abhängigkeit von Europa zu respektieren, war nicht als Abschwächung des amerikanischen Führungsanspruchs in der westlichen Hemisphäre gemeint. Die Anerkennung der britischen Herrschaft über Kanada stand seit dem Genfer Frieden von 1814 unverrückbar fest. Das schloß Konflikte um Gebiete, die bisher noch nicht von Weißen besiedelt waren, nicht aus: Ein langjähriger Streit um Oregon, ein riesiges Gebiet in den Rocky Mountains und an der Pazifikküste, weit größer als der heutige amerikanische Bundesstaat gleichen Namens, endete 1846 mit der Teilung des Gebiets zwischen den USA und Kanada.
    Kompromißbereit zeigten sich die Vereinigten Staaten auch gegenüber Rußland, dem eigentlichen Adressaten jenes Passus der Monroe-Doktrin, in dem sich der Präsident nachdrücklich gegen jede weitere Kolonisation europäischer Mächte auf amerikanischem Boden wandte. Im Jahr 1741 hatte Vitus Bering, ein dänischer Seeoffizier in russischen Diensten, die Südküste Alaskas und die Aleuten entdeckt. Seit dieser Zeit beanspruchte das Zarenreich ein großes Territorium im äußersten Nordwesten des amerikanischen Kontinents. 1799 stimmte Zar Paul I. der Gründung der Russisch-Amerikanischen Kompanie zu, die für die Dauer von 20 Jahren ein Handelsmonopol für das Gebiet vom 55. Breitengrad bis zur Beringstraße und den Aleuten erhielt und Territorien erwerben durfte, die bislang noch nicht von anderen Mächten besetzt waren.
    Rußlands Drang nach Süden, der 1811 zur Gründung von Fort Ross an der kalifornischen Küste nördlich von San Francisco führte, rief alsbald die Vereinigten Staaten und Großbritannien auf den Plan. Als Alexander I. 1821 das Handelsprivileg der Russisch-Amerikanischen Kompanie bis zum 51. Breitengrad ausdehnte, waren die Proteste aus London und Washington so scharf, daß der Zar den diplomatischen Rückzug antrat. In seiner Abschiedsbotschaft konnte Präsident Monroe bereits auf laufende Verhandlungen der angelsächsischen Mächte mit Rußland verweisen. Sie mündeten 1824 und 1825 in Verträge des Zarenreiches mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Darin wurde die Südgrenze von Russisch-Amerika bei 54 Grad 40 Minuten nördlicher Breite festgelegt. Der wirtschaftliche Einfluß der Russisch-Amerikanischen Kompanie ging in der Folgezeit stark zurück. Ihre Privilegien wurden 1861 von Zar Alexander II. nicht erneuert. 1867 verkaufte Rußland Alaska mitsamt den Aleuten zum Preis von nur 7,2 Millionen Dollar an die USA.
    Von den europäischen Regierungen wurde die Monroe-Doktrin öffentlich nicht kommentiert, intern aber scharf kritisiert. In einem Brief an den russischen Außenminister Graf Nesselrode nannte Metternich im Januar 1824 das Manifest des amerikanischen Präsidenten «einen neuen Akt der Revolte, noch weniger provoziert, ebenso verwegen und nicht minder gefährlich als der erste» (womit die Unabhängigkeitserklärung von 1776 gemeint war). Die Vereinigten Staaten hätten auf unzweideutige Weise die Absicht bekundet, «nicht nur Macht gegen Macht, sondern, um genauer zu sein, Altar gegen Altar zu setzen». Sie hätten für die ehrwürdigsten Institutionen Europas und die Prinzipien ihrer größten Herrscher nur Tadel und Verachtung übrig. «Indem sie sich unprovozierte Angriffe erlauben, indem sie, wo immer sie in Erscheinung treten, Revolutionen fördern …, verleihen sie den Aposteln des Aufruhrs neue Stärke und beleben den Mut eines jeden Verschwörers. Wenn diese Flut übler Doktrinen und schädlicher Beispiele sich über ganz Amerika ausdehnen sollte, was würde dann aus unseren religiösen und politischen Einrichtungen, aus der moralischen Kraft unserer Regierungen und aus jenem konservativen System werden,

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