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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Nordirland. In den Kohlerevieren gab es Orte mit einer Arbeitslosigkeit von bis zu 70 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung. Der Niedergang des Bergbaus, der Stahl-, der Schiffbau- und der Baumwollindustrie hatte freilich schon lange vor 1929 eingesetzt; die Baumwollfabriken von Lancashire waren das Hauptopfer des Verlustes der Überseemärkte, vor allem des indischen, während des Ersten Weltkriegs. 1913 hatte eine Million Bergleute 787 Millionen Tonnen Kohle produziert; 1933 belief sich die Zahl der Bergarbeiter auf eine halbe Million; die Förderung war auf 207 Millionen Tonnen gesunken. Die Stahlproduktion fiel zwischen 1929 und 1932 von 9,6 auf 5,2 Millionen Tonnen. Die Exportindustrie litt seit 1925 unter der Rückkehr zum Goldstandard, die eine etwa zehnprozentige Überbewertung des Pfundes Sterling zur Folge hatte. Die allmähliche wirtschaftliche Erholungseit 1933 lag im allgemeinen Trend: Ihren Tiefpunkt erreichte die Depression im Sommer 1932.
    Die Wirtschafts- und Finanzpolitik des seit Juni 1929 regierenden zweiten Labourkabinetts unter Ramsay MacDonald, das wie das erste im Jahr 1924 von den Liberalen parlamentarisch toleriert wurde, unterschied sich nicht wesentlich von jener der Regierung Brüning in Deutschland. Schatzkanzler Philip Snowden war ein überzeugter Anhänger eines ausgeglichenen Haushalts und des Freihandels. Forderungen nach großzügiger staatlicher Arbeitsbeschaffung, nach Schutzzöllen und dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen wies er entschieden zurück. Als der Minister ohne Geschäftsbereich Sir Oswald Mosley im Februar 1930 ein mit George Lansbury, dem Minister für öffentliche Arbeiten, abgestimmtes Memorandum vorlegte, das die Massenkaufkraft durch öffentliche Arbeiten wie Straßenbau heben wollte, stieß das Vorhaben im Kabinett auf nahezu geschlossene Ablehnung.
    Mosley hatte seine politische Karriere Ende 1918, damals als jüngstes Mitglied des Unterhauses, bei den Konservativen begonnen. Seine erste Frau, Cynthia («Cimmie»), war die Tochter des einstigen Vizekönigs von Indien und späteren Außenministers Lord George Curzon. Mit den Tories zerstritt sich Mosley bald über der irischen Frage. Bei den Wahlen von 1922 und 1923 kandidierte er, beide Male erfolgreich, als Unabhängiger. Im März 1924 trat er der Labour Party bei, wo er auf dem linken Flügel, bei der Independent Labour Party, aktiv wurde. Die Zurückweisung seines Memorandums beantwortete er im Mai 1930 mit der Niederlegung seines Regierungsamtes. Im Oktober 1930 scheiterte er nur knapp mit dem Versuch, den Parteitag der Labour Party auf seine Linie festzulegen. Innerhalb der Fraktion genoß er um diese Zeit die Unterstützung gewichtiger Abgeordneter wie Aneurin Bevan und John Strachey.
    Am 28. Februar 1931 verließ Mosley die Labour Party und gründete tags darauf die New Party, die sich sein Programm zur Krisenbekämpfung zu eigen machte. Darin forderte er neben einer staatlichen Bankenkontrolle, öffentlicher Arbeitsbeschaffung und einem Entwicklungsplan für die Landwirtschaft ein Kernkabinett mit außerordentlichen Befugnissen, wie sie im Ersten Weltkrieg das War Cabinet besessen hatte. Vier Abgeordnete der Labour Party, darunter Lady Cynthia Mosley und John Strachey, schlossen sich ihm an. Für die Parteizeitung «Action» konnte er den Schriftsteller Harold Nicolson alsHerausgeber gewinnen. Bei Nachwahlen in dem (bisher von der Labour Party vertretenen) Wahlkreis Ashton-under Lyne, wo die Arbeitslosenquote bei 46 Prozent lag, erreichte die New Party auf Anhieb 16 Prozent. Gewonnen wurde die Wahl von den Tories.
    Auch wenn das, was die Labourregierung zur Überwindung der Arbeitslosigkeit tat, nach Meinung Mosleys und anderer Kritiker viel zu wenig war, konnte man dem Kabinett Mac Donald nicht Untätigkeit auf sozialem Gebiet vorwerfen. Der Unemployment Insurance Act vom Dezember 1930 erhöhte die Leistungen der Arbeitslosenversicherung und machte es den Erwerbslosen leichter, diese Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die Staatszuschüsse zur Arbeitslosenversicherung stiegen infolgedessen weiter an: Hatten sie 1929 bei 51 Millionen Pfund gelegen, so beliefen sie sich zwei Jahre später auf 125 Millionen Pfund. Anfang des Jahres 1931 gelangte Schatzkanzler Snowden zu dem Schluß, daß eine drastische Senkung der Staatsausgaben unabweisbar war. Im Februar setzte er, Anträgen der Konservativen und der Liberalen entsprechend, ein unabhängiges Komitee unter Vorsitz des

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