Geschichte des Westens
statt. Sie verlief für beide Seiten enttäuschend. Daß der «Führer» bereit war, einer Eroberung Gibraltars durch Spanien zuzustimmen, konnte den «Generalissimus» nicht aus der Reserve locken. Dem von Hitler gewünschten Kriegseintritt Spaniens stand vor allem die Madrider Forderung nach Gebietsabtretungen in Nordafrika entgegen, auf die Hitler in Hendaye noch nicht eingehen wollte. Als Deutschland sich im November bereit zeigte, dieses Verlangen zu erfüllen, war die Wirtschaftslage Spaniens so katastrophal, daß die uneinige politische Führung sich nicht zu einer Kriegsbeteiligung entschließen konnte. In der Folge erklärte Franco Spanien je nach Kriegslage einmal für nichtkriegführend, ein andermal für neutral. Im Dezember 1940 beschloß Spanien die Bildung einer Freiwilligentruppe, vornehmlich aus Falangisten, die «Blaue Division», die später auf deutscher Seite an der Ostfront eingesetzt wurde – bis Franco im Dezember 1943 den Rückzug anordnete.
Wenig konkrete Ergebnisse hatte auch Hitlers Begegnung mit Pétain in Montoire-sur-le-Loir in der Umgebung von Tours, wo sich der «Führer» zwei Tage zuvor schon mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Laval getroffen hatte. Der Marschall erreichte zwar, daß Frankreich zur Schutzmacht seiner eigenen Kriegsgefangenen in Deutschland wurde, erhielt aber keine Zusicherung für baldige Verhandlungen über einen Friedensvertrag. Umgekehrt weigerte sich Pétain, sein Land am Krieg gegen Großbritannien zu beteiligen. Die Politik der «collaboration», zu der sich der Chef d’État erstmals am30. Oktober öffentlich bekannte, geriet kurz darauf in eine Krise, als Pétain, ohne die Deutschen vorher zu fragen, am 13. Dezember 1940 den bisherigen Hauptvertreter der «collaboration», Pierre Laval, entließ und den früheren, als anglophil geltenden Ministerpräsidenten Pierre-Étienne Flandin zum Außenminister ernannte. Doch schon im Februar 1941 schied Flandin unter deutschem Druck aus der Regierung aus. Sein Nachfolger, Admiral François Darlan, der zusammen mit dem stellvertretenden Vorsitz im Ministerrat die Ämter des Außen-, Innen-, Informations- und Marineministers übernahm, setzte alles daran, die Beziehungen zum Deutschen Reich noch fester zu gestalten und Frankreich zu einem aktiven Mitglied eines künftigen «Kontinentalblocks» zu machen.
Das wichtigste, weil folgenreichste Ereignis des Oktober 1940 waren aber nicht Hitlers Gespräche in Hendaye und Montoire, sondern der Beginn des italienischen Angriffs auf Griechenland am frühen Morgen des 28. Oktober, dem 18. Jahrestag des «Marsches auf Rom». Die treibende Kraft hinter diesem Coup war Außenminister Ciano, der es an der Zeit fand, daß sein Land endlich aus dem Schatten des immer weiter expandierenden Deutschen Reiches heraustrat. Mussolini hatte aus Verärgerung über die Alleingänge seines deutschen Verbündeten die Aktion nicht mit Hitler abgestimmt, der, als er am gleichen Tag zu Verhandlungen mit dem «Duce» im Palazzo Vecchio in Florenz zusammentraf, an der vollendeten Tatsache nichts mehr ändern konnte. Für die italienischen Truppen wurde das Unternehmen zu einem Debakel. Griechische Verbände eroberten bei einer Gegenoffensive Anfang November ungefähr ein Drittel des im April 1939 von Italien besetzten Albanien. Britische Truppen besetzten am 29. Oktober Kreta und Anfang November Athen. Hitler fürchtete Angriffe der Royal Air Force auf das rumänische Erdölgebiet um Ploievti und bereitete seit dem Spätjahr 1940 einen deutschen Entlastungsangriff auf Griechenland vor.
Gefährlich für die Achsenmächte waren die Folgen des griechischen Abenteuers auf das Kriegsgeschehen in Afrika. Mitte September 1940 hatte Italien von Libyen aus eine Offensive gegen Ägypten begonnen, die jedoch kurz hinter der Grenze steckenblieb. Im Dezember begann die britische Nilarmee mit einer Gegenoffensive, die zu einem großen Erfolg wurde: Die italienischen Streitkräfte wurden aus Ägypten herausgeworfen und 38.000 Mann gefangengenommen. Eine weitere britische Offensive begann in der zweiten Januarhälfte in Eritrea.Am 21. Januar 1941 eroberten die Briten Tobruk im Osten von Italienisch-Libyen, Anfang Februar Bengasi, die Hauptstadt der Cyrenaika; die Zahl der Gefangenen stieg auf 140.000. Kurz darauf folgte von Kenia aus eine britische Offensive gegen Italienisch-Somaliland, in deren Verlauf Mogadischu eingenommen wurde. Hätte Italien seine Truppen auf die afrikanischen
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