Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
keineswegs die einzige Quelle, aus der sich die Finanzierung der deutschen Kriegskosten speiste. Die materielle Hauptlast trugen die Deutschen, und zwar nicht so sehr über höhere Steuern und Abgaben als auf eine Weise, die sie zunächst gar nicht bemerkten: über ihre Ersparnisse. Die gigantische zusätzliche Verschuldung des Deutschen Reiches in den Jahren 1939 bis 1945 wurde dadurch ermöglicht, daß alle Institutionen, bei denen die Deutschen sparten – von den Postämtern über die Sparkassen und Banken bis zu den Versicherungen –, gezwungen waren, ihre Einlagen der Regierung zur Verfügung zu stellen, indem sie langfristige Schuldversicherungen und Schatzwechsel des Reiches kauften. Diese Verschuldung hätte nur dann auf andere abgewälzt werden können, wenn Deutschland als Sieger aus dem Krieg hervorgegangen wäre.
    Da es anders kam, wurde den Deutschen die Rechnung nach dem Krieg präsentiert – in Gestalt einer fast vollständigen Vernichtung ihrer Ersparnisse und des jetzt erst voll sichtbar werdenden radikalen Kaufkraftverlustes der Reichsmark. Die Ersparnisse stiegen im übrigen während des Krieges weiter an, weil sich angesichts der rigorosen Zwangsbewirtschaftung sämtlicher Güter des täglichen Bedarfs ein gewaltiger Kaufkraftüberhang entwickelte. Führten aktuelle Mängel in der Lebensmittelversorgung zu Mißstimmung in der Bevölkerung, versuchte das Regime, solange es ging, elastisch zu reagieren: Als sich im Sommer 1942 der Unmut der Arbeiter über niedrige Fleischrationen Luft machte, wurden die Rationen prompt erhöht – um angesichts von neuen Engpässen im Mai 1943 wieder gekürzt zu werden.
    Je weiter sich die Wehrmacht im Osten seit 1943 zurückziehen mußte, desto schlechter wurde, vor allem seit der Jahreswende 1943/44, die Versorgung mit Lebensmitteln. Innerhalb des knappen Angebots an Nahrungsmitteln verschoben sich die Gewichte immer stärker von Fleisch- zu pflanzlichen Produkten. Auf diese Weise konnte eine durchschnittlichestädtische Arbeiterfamilie ihren Kalorienbedarf zwar einigermaßen decken, aber selbst bei Familien von Schwerarbeitern, die in den Genuß erhöhter Rationen kamen, führte der Rückgang des Verzehrs von tierischem Eiweiß und Speisefett zu einer Senkung des gewohnten Ernährungsstandards. Die Masse der Verbraucher mußte sich, wie der Wirtschaftshistoriker Christoph Buchheim feststellt, spürbar einschränken, und zwar kinderlose Haushalte noch sehr viel mehr als Familien mit kleinen Kindern. Sendungen mit Nahrungsmitteln von Soldaten der Ost- oder Westfront an ihre Angehörigen mochten vielen Familien gelegentlich helfen, mit den Folgen der Mangelwirtschaft fertig zu werden, im großen Stil aber profitierten nur die politisch, militärisch oder wirtschaftlich Mächtigen von «Liebesgaben», die sie sich gegen gute Bezahlung vornehmlich aus neutralen Ländern wie der Schweiz schicken ließen. Hinter der Fassade der «Volksgemeinschaft» gab es weiterhin die gesellschaftlichen Gegensätze zwischen «Oben» und «Unten», die sich während des Krieges noch weiter verschärften.
    Den hohen selbstgestellten Ansprüchen des «Dritten Reiches» widersprach auch die unzulängliche Art und Weise, in der die deutsche Wirtschaft nach 1939 auf Kriegsbedürfnisse umgestellt wurde. Erst im März 1940 wurde ein Reichsministerium für Bewaffnung und Munition unter dem Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Fritz Todt, errichtet, dem die zentrale Planung und Steuerung der Rüstungswirtschaft oblag. Nach dem Tod Todts bei einem Flugzeugunfall am 8. Februar 1942 übernahm Hitlers Lieblingsarchitekt Albert Speer, der Organisator der Nürnberger Reichsparteitage und Erbauer der Neuen Reichskanzlei, das Ressort. Unter seiner Ägide wurde nicht nur die deutsche Industrie strikter als zuvor Erfordernissen der Kriegswirtschaft unterworfen, Speer dirigierte auch, nicht immer friktionsfrei unterstützt vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, dem thüringischen Gauleiter Fritz Sauckel, das Heer der Fremdarbeiter aus ausländischen Zivilarbeitern, KZ-Häftlingen, sowjetischen und anderen Kriegsgefangenen sowie «Arbeitsjuden», die er rücksichtslos, und das hieß im Extremfall bis zur physischen Vernichtung durch Arbeit, für die Steigerung der deutschen Rüstungsproduktion einsetzte.
    Die Gesamtzahl der in Industrie, Handwerk, Landwirtschaft und privaten Haushalten des Reiches beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte belief sich Ende

Weitere Kostenlose Bücher