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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Widerstand in Deutschland und Japan verstärken würde, nahmen die westlichen Verbündeten billigend in Kauf: Es kam darauf an, beiden Staaten für alle Zukunft die Angriffsfähigkeit zu nehmen.[ 12 ]
Heimatfronten: Nationen im Krieg
    Ein November 1918 werde sich niemals wiederholen, hatte Hitler am ersten Kriegstag, dem 1. September 1939, im Reichstag ausgerufen. In diesem Punkt erwies sich der «Führer» tatsächlich als Prophet. Es gab im Zweiten Weltkrieg in Deutschland keine Streiks, keine Meutereien und erst recht keine Revolution. Das lag nicht nur, und wohl nicht einmal vorrangig, an der Allgegenwart des Terrors. Es lag vor allem an der rücksichtslosen Ausbeutung der besetzten Gebiete, die Deutschland eine Hungersnot, wie im Ersten Weltkrieg, ersparte. Es lag auch an der ebenso rücksichtslosen Ausbeutung von Millionen meist zwangsverpflichteten ausländischen Zivilarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen, einem neuen Subproletariat, das seinerseits einer rassistisch bestimmten Hierarchie unterworfen war: «Ostarbeiter» wurden schlechter behandelt als «Westarbeiter», wobei unter diesen sehr viel mehr «Freiwillige» waren als unter jenen. Am unmenschlichsten aber war die Behandlung jüdischer Sklavenarbeiter, für die Arbeit nur ein Durchgangsstadium für Vernichtung sein sollte.
    Die Zwangs- und Sklavenarbeit von Ausländern sorgte auch dafür,daß der Krieg für die Deutschen nicht ganz so «total» wurde, wie man es nach Goebbels’ berüchtigter Rede im Berliner Sportpalast vom 18. Februar 1943 hätte vermuten können – jener wenige Wochen nach der Katastrophe von Stalingrad gehaltenen Rede, in der sich der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda die rhetorische Frage «Wollt ihr den totalen Krieg?» von einer fanatischen Menge mit einem frenetischen Ja beantworten ließ. Eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen wurde nicht eingeführt, weil sie Hitlers, durchaus kleinbürgerlich geprägtem, Bild von der (bürgerlichen) deutschen Frau widersprach. Das deutsche Volk sollte seinem «Führer» die Treue halten; dieses Ziel setzte der Ausbeutung deutscher Arbeitskräfte und zumal der berufstätigen deutschen Frauen Grenzen, über deren Respektierung Hitler persönlich wachte.
    Allerdings war im Gefolge der Rüstungskonjunktur der Anteil der berufstätigen Frauen an der Gesamtheit der zivil Beschäftigten im Deutschen Reich mit 37,3 Prozent sehr hoch – um 10,9 Prozentpunkte höher als in Großbritannien. 1943 stieg der Frauenanteil in Deutschland auf 48,8 Prozent, in Großbritannien auf 36,4 Prozent. Wie in allen Kriegswirtschaften übten auch in Deutschland Frauen in weit größerer Zahl als zuvor Berufe aus, in denen vor 1939 überwiegend Männer beschäftigt gewesen waren: so als Postbotinnen, als Eisenbahnerinnen, als Bus- und Straßenbahnfahrerinnen. Wie in anderen kriegführenden Ländern wurde im Deutschen Reich die Rüstungsindustrie auf Kosten aller anderen Branchen privilegiert: Im Verlauf mehrerer systematischer «Auskämmaktionen» mußten das Handwerk, der Handel sowie alle für den zivilen Bedarf produzierenden Wirtschaftszweige Arbeitskräfte an die Rüstungsindustrie abgeben, was, ebenso wie die Einberufungen zur Wehrmacht, zahllose Betriebsschließungen zur Folge hatte. Das Handwerk verlor zwischen 1939 und 1944 48,3 Prozent, der Handel 42,7 Prozent, die Landwirtschaft 22,6 Prozent der Beschäftigten.
    Von einem «Wohlleben» der Deutschen konnte während des Zweiten Weltkrieges zu keiner Zeit, am wenigsten in den vom Bombenkrieg geprägten letzten Jahren, die Rede sein. Der Lebensstandard der Zivilbevölkerung war vom nationalsozialistischen Regime schon vor 1939 im Zeichen des Primats der Aufrüstung bewußt niedrig gehalten worden. Nach Kriegsbeginn bestand die deutsche Politik in den Worten des britischen Historikers Richard J. Overy nicht darin, «einen hohenLebensstandard oder die Verhältnisse der Friedenszeit aufrecht zu erhalten, sondern in der Bewahrung des
Existenzminimums
, unter das der Lebensstandard nicht sinken sollte. Unter allen Umständen mußten Erscheinungen wie der ‹Steckrübenwinter› des Ersten Weltkrieges vermieden werden. Hitlers wahre Priorität war gleichmäßige Verteilung, nicht hoher Konsum. Es galt sicherzustellen, daß kein Teil der deutschen Bevölkerung mehr zu leiden hatte als andere, daß die Anteile an den zu bringenden Opfern gleich groß ausfielen.»
    Die Ausbeutung fremder Gebiete und Arbeitskräfte war auch

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