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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Arbeiterpartei, um sie für eine gemeinsame Abwehr der tschechischen Staatsgründung zu gewinnen. In ihrer Antwort vom 3. Oktober sprachen sich die Sozialdemokraten für das Recht der slawischen Nationen aus, ihre eigenen Nationalstaaten zu bilden, lehnten aber gleichzeitig «unbedingt und für immer die Unterwerfung deutscher Gebiete unter diese Nationalstaaten» ab. «Wir fordern, daß alle Gebiete Österreichs zu einem deutschösterreichischen Staat vereinigt werden, der seine Beziehungenzu den anderen Nationen Österreichs und zum Deutschen Reich nach seinen Bedürfnissen regeln soll.»
    Damit war die Linie vorgezeichnet, die die Vertreter Deutschösterreichs in den folgenden Monaten einschlugen. Am 21. Oktober traten die Abgeordneten der deutschsprachigen Gebiete der cisleithanischen Reichshälfte zu einer Sitzung zusammen, in der sie sich als «Provisorische Nationalversammlung des selbständigen deutschösterreichischen Staates» konstituierten. Am 30. Oktober verabschiedete die Nationalversammlung eine Provisorische Verfassung. An die Spitze der Provisorischen Regierung, der Politiker der Sozialdemokraten, der Christlichsozialen und der großdeutschen Deutschnationalen angehörten, trat, ebenfalls am 30. Oktober, der Sozialdemokrat Karl Renner als Staatskanzler. Das Außenministerium übernahm der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Victor Adler. Er starb, völlig unerwartet, am 11. November im Alter von 66 Jahren.
    Die als schmachvoll empfundene Niederlage des kaiserlichen Heeres bei Vittorio Veneto, in deren Folge 400.000 Soldaten in italienische Kriegsgefangenschaft gerieten, und der Sturz der Monarchie in Deutschland trugen entscheidend dazu bei, daß sich auch in Österreich die republikanischen Tendenzen durchsetzten. Am 11. November erklärte Kaiser Karl auf Drängen seiner Berater wie der Vertreter der Provisorischen Nationalversammlung, daß er auf «jeden Anteil an den Staatsgeschäften» verzichte und im voraus die Entscheidung anerkenne, die Deutschösterreich im Hinblick auf seine künftige Staatsform treffen werde. Tags darauf verabschiedete die Provisorische Nationalversammlung die schon zitierte Entschließung, in der Deutschösterreich zur demokratischen Republik und zum «Bestandteil der Deutschen Republik» erklärt wurde.
    Mit der Abdankung Karls als Kaiser von Österreich (noch nicht, auch wenn das eine Fiktion blieb, als König von Ungarn) endete die Geschichte des habsburgischen Vielvölkerreiches. Vier Jahrhunderte lang hatte es maßgeblichen Einfluß auf den «alten Kontinent» ausgeübt und, wenn auch nicht ununterbrochen, den Status einer europäischen Großmacht innegehabt. In Deutschland war das Haus Habsburg (oder, wie es seit der Heirat von Maria Theresia und Herzog Franz Stephan von Lothringen im Jahre 1736 offiziell hieß, das Haus Habsburg-Lothringen) als Feind der Freiheit aufgetreten, erst im Kampf gegen den Protestantismus, dann gegen den Liberalismus.
Mit
Österreich konnten die Deutschen Einheit und Freiheit nicht erlangen: Nicht zuletzt daran ist die Revolution von 1848/49 gescheitert. Nachhaltiger noch und keineswegs nur negativ zu bewerten war die Wirkung der habsburgischen Herrschaft in ihrem engeren Machtbereich. Ganz Ostmitteleuropa, von Galizien bis Dalmatien, von den Sudeten bis zu den Karpaten, hat die Donaumonarchie durch ihre Verwaltung, ihre Gerichte und Schulen, durch Post und Eisenbahn, Polizei und Armee und nicht zuletzt durch ihre dunkelgelb («habsburgergelb») angestrichenen Amtsgebäude einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt.
    Das Habsburgerreich war nicht der «Völkerkerker», den tschechische und südslawische Nationalisten in ihm sehen wollten. Die slawischen Völker hatten aber seit dem «dualistischen» Ausgleich mit Ungarn von 1867 darunter zu leiden, daß ihnen die Deutsch-Österreicher und die Magyaren nur mindere Rechte einräumten. Die Erbitterung, die dies erzeugte, untergrub seit dem späten 19. Jahrhundert die Grundlagen der Doppelmonarchie. Die Angst vor der Auflösung des Reiches ließ Österreich nach dem Mord von Sarajewo mit übertriebener Härte auf die Herausforderung durch den großserbischen Nationalismus reagieren und, von der Reichsleitung in Berlin dazu ermutigt,
die
Politik betreiben, die zum Ersten Weltkrieg führte.
    Zur Wiener «Kriegspartei» gehörten in der Julikrise von 1914 auch der greise Kaiser Franz Joseph, der, gestützt auf seine große Popularität, auch eine ganz andere Rolle, die des

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