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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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die Donau erreicht hatte, am 2. September durch Aufkündigung des Antikominternpakts das Blatt noch zu wenden, konnte aber damit nicht mehr verhindern, daß ihm die Sowjetunion am 5. September den Krieg erklärte. Am 8./9. September kam durch einen Staatsstreich eine prosowjetische, von den Kommunisten dominierte Regierung unter Kimon Georgiew ans Ruder. Kurz darauf wurde Bulgarien von der Roten Armee besetzt. Am 11. Oktober verzichtete Sofia auf die 1940 eroberten griechischen und mazedonischen Gebiete. Am 28. Oktober folgte die Unterzeichnung des Waffenstillstands mit der Sowjetunion, Großbritannien und den USA in Moskau.
    Der Vormarsch der Roten Armee ging überall einher mit der konsequenten Verfolgung politischer Gegner und umfassenden Umsiedlungsaktionen. Der Vertreibung aus Wolhynien und Ostgalizien im Zuge der sowjetischen Sommeroffensive von 1941 kamen etwa 300.000 Polen durch die Flucht in das polnische Kerngebiet zuvor. Insgesamt wurden zwischen 1944 und 1946 800.000 Polen aus der Ukraine nach Polenund 500.000 Ukrainer aus Polen in die Ukraine umgesiedelt. Schon vor der Rückkehr der Roten Armee hatte die extrem nationalistische und antisemitische Ukrainische Aufstandsarmee, die UPA (Ukrainska Povstans’ka Armija) seit 1943 Terrorakte gegen polnische Siedler verübt: Etwa 80.000 Polen, darunter Frauen und Kinder, wurden von ihr ermordet. Dem Gegenterror der polnischen Heimatarmee, der Armia Krajowa, fielen etwa 20.000 Ukrainer zum Opfer.
    Am 22. Juni 1944, dem dritten Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion, begann die Rote Armee mit einer Großoffensive, der nach einem Feldherrn des Zarenreiches aus der Zeit der napoleonischen Kriege benannten «Bagration-Offensive», gegen die Heeresgruppe Mitte, die in dieser Zeit noch einen Frontbogen zwischen Witebsk und Bobruisk hielt. Binnen weniger Tage hatte die Wehrmacht Verluste zu beklagen, die über das Ausmaß der Katastrophe von Stalingrad weit hinausgingen. Am 8. Juli nahmen sowjetische Truppen die weißrussische Hauptstadt Minsk ein. Seit Beginn der Offensive waren 28 deutsche Divisionen zerschlagen worden und etwa 350.000 Mann gefallen. Wenig später begann eine weitere sowjetische Großoffensive in Galizien. Über Lemberg drang die Rote Armee weiter nach Westen vor. Am 20. Juli überschritten sowjetische Truppen den Bug; Ende Juli erreichten ihre Panzerspitzen die östlichen Vororte Warschaus.
    Bereits bei ihrem Treffen in Teheran vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 hatten sich Stalin, Roosevelt und Churchill grundsätzlich darauf verständigt, das polnische Territorium westwärts zu verschieben. Die Ostgrenze sollte im wesentlichen die 1920 von dem britischen Außenminister Lord Curzon vorgeschlagene und nach ihm benannte Linie sein, das Gebiet zum Bialystok an Polen und das nördliche Ostpreußen mit Königsberg an die Sowjetunion fallen. Die modifizierte Curzon-Linie sicherte der Sowjetunion neun Zehntel der Beute, die ihr der Molotow-Ribbentrop-Pakt von 1939 eingebracht hatte. Als Westgrenze Polens betrachteten Stalin und Churchill in Teheran die Oder. Roosevelt hielt sich aus innenpolitischen Gründen, der Rücksicht auf Wähler polnischer Herkunft, mit allzu genauen Festlegungen zurück. Aber es war zwischen den Alliierten unstrittig, daß das, was Polen im Osten an die Sowjetunion verlor, im Westen durch territoriale Gewinne auf Kosten Deutschlands ausgeglichen werden sollte. Am 22. Februar 1944 nannte Churchill diese Vereinbarung im Unterhaus die optimale Lösung der polnischen Frage.
    Die exilpolnische Regierung in London unter Stanislaw Mikolajczyk, dem Nachfolger des am 4. Juli 1943 bei einem Flugzeugabsturz bei Gibraltar ums Leben gekommenen Wladislaw Sikorski, war mit einer Ausdehnung in westlicher Richtung einverstanden, hielt aber ungeachtet der Übereinkunft von Teheran an der Ostgrenze fest, wie sie Polen durch den Frieden von Riga vom März 1921 erhalten hatte – einer Grenze, die etwa 250 Kilometer östlich der Curzon-Linie verlief. Seit April 1943 gab es, als Folge der Ermordung von Tausenden polnischer Offiziere durch die GPU bei Katyn, keine diplomatischen Beziehungen mehr zwischen der Exilregierung und Moskau. Am 1. Januar 1944 wurde unter Führung des Kommunisten Boleslaw Bierut in Warschau ein Landesnationalrat gegründet, der sogleich, um ein Gegengewicht zur Armia Krajowa zu schaffen, die Armia Ludowa (Volksarmee) ins Leben rief. Am 22. Juli verkündete Radio Moskau die Bildung des

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