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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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zielten auch darauf ab, die Moral der Zivilbevölkerung zu brechen, und wurden deshalb von der Royal Air Force im Unterschied zum «strategic bombing» als «moral bombing» bezeichnet.
    Dieser
Zweck des Bombenkriegs wurde nicht erreicht. Statt die «Volksgenossen» zur Auflehnung gegen Hitler und sein Regime zu treiben, förderten die feindlichen Fliegerangriffe bei den Deutschen vielmehr das Gefühl, einer Schicksalsgemeinschaft anzugehören, die nur eines tun konnte: unter allen Umständen durchhalten. «Moralisch» war nichts am Bombenterror gegen wehrlose Frauen, Kinder undGreise. Die Flächenbombardements waren vielmehr ein Zeichen dafür, daß die Unmenschlichkeit des Aggressors auch den verändern kann, der sich ihm in den Weg stellt – bis hin zur praktischen Verleugnung der Menschlichkeit, in deren Namen der Verteidiger Krieg führt. Ebendiese Einsicht hatte einen englischen Kirchenführer, den Bischof von Chichester, George Bell, seit 1941 immer wieder zu Protesten gegen das sogenannte «moral bombing» veranlaßt. Diese und ähnliche Einsprüche blieben nicht folgenlos. Nach dem Luftangriff auf Dresden kam auch Churchill zu dem Schluß, daß eine Fortsetzung dieser Art von Flächenbombardement den übergeordneten Kriegszielen Großbritanniens mehr schadete als nützte und darum nicht länger zu rechtfertigen war.
    Zur gleichen Zeit, in der die Rote Armee den Osten Deutschlands eroberte, standen noch immer deutsche Truppen in Norwegen, Dänemark, den nördlichen Niederlanden, im Kurland, im Protektorat Böhmen und Mähren, im nördlichen Kroatien, in Slowenien und in Norditalien. Am 9. April begann eine alliierte Großoffensive in der Emilia-Romagna, in deren Verlauf zehn Tage später Bologna befreit wurde. Am 27. April eroberten die Amerikaner Genua. Am gleichen Tag nahmen kommunistische Partisanen in der Nähe von Dorio am Comer See den als Wehrmachtssoldaten verkleideten Benito Mussolini auf der Flucht gefangen. Am 28. April wurde der «Duce» zusammen mit seiner Geliebten Clara Petacci erschossen und anschließend mit zwanzig weiteren Anhängern, darunter dem ehemaligen Parteisekretär Achille Starace, am Dach einer Tankstelle auf dem Piazzale Loreto in Mailand kopfabwärts aufgehängt. Die Repubblica di Salò, das letzte Stadium faschistischer Herrschaft in Italien, war definitiv an ihr Ende gelangt. Es begann eine Welle der blutigen antifaschistischen Säuberung, die ihren Höhepunkt im Frühsommer 1945 erreichte.
    Einen Tag nach der Erschießung Mussolinis, am 29. April, wurde im alliierten Hauptquartier in Caserta in Anwesenheit sowjetischer Offiziere die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Italien unterzeichnet. Sie trat am 2. Mai um 14 Uhr in Kraft. Vorausgegangen waren Geheimgespräche, die SS-Obergruppenführer Karl Wolff, der deutsche Militärgouverneur in Norditalien, auf eigene Faust am 8. März mit Allen Welsh Dulles, dem Chef des amerikanischen Geheimdienstes, des Office of Strategic Services, in Zürich aufgenommenund am 19. März in Gegenwart von zwei hohen amerikanischen Generälen in Ascona fortgeführt hatte.
    Für Stalin waren die Kontakte zwischen dem gemeinsamen Feind und den Westmächten ein Anlaß zu tiefem Mißtrauen. In einer telegraphischen Botschaft an Roosevelt vom 3. April äußerte der Diktator seinen Verdacht, die Briten und die Amerikaner seien darauf aus, mit deutscher Einwilligung widerstandslos in das Herz von Deutschland vorzustoßen, während die sowjetischen Armeen weiterhin mit deutschen Truppen kämpfen müßten – eine Unterstellung, die Roosevelt zwei Tage später scharf zurückwies. Eine solche Absicht gab es auf westlicher Seite in der Tat nicht. Der amerikanische Präsident und der britische Premierminister wußten sehr wohl, daß sie den nahen Sieg über Deutschland zum größten Teil den militärischen Anstrengungen der Sowjetunion verdankten. Sie betonten deshalb immer wieder demonstrativ, daß hinsichtlich der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches zwischen den drei Verbündeten volle Übereinstimmung bestehe.
    Im Hinblick auf das Schicksal Ostmittel- und Südosteuropas aber konnte von einem Einvernehmen der Alliierten um diese Zeit schon nicht mehr die Rede sein. Am 6. März erzwang die Sowjetunion in Rumänien die Einsetzung einer Regierung, die formell ein Mehrparteienkabinett war, tatsächlich aber von den Kommunisten beherrscht wurde. Noch mehr beunruhigte Roosevelt und Churchill die Entwicklung in

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