Geschichte des Westens
Sozialdemokraten Ernst Niekisch geführte Zentralrat der bayerischen Republik dieser Forderung an. Die Regierung des Mehrheitssozialdemokraten Johannes Hoffmann, des Nachfolgers von Eisner, wurde für abgesetzt erklärt.
Die erste Münchner Räterepublik, in der Schwabinger Literaten den Ton angaben, schaffte es binnen weniger Tage, sich zum Gegenstand allgemeinen Gespötts zu machen. Der Abbruch der «diplomatischen Beziehungen» mit dem Reich, eine Botschaft an Lenin, in der diesem die Einigung des oberbayerischen Proletariats mitgeteilt wurde, und die Ankündigung von «Freigeld» zur Überwindung des Kapitalismus waren einige der spektakulärsten Aktionen des von den Kommunisten als «Scheinräterepublik» bezeichneten kurzlebigen Regimes. Als die nach Bamberg ausgewichene Regierung Hoffmann am Palmsonntag, den 13. April, die Republikanische Soldatenwehr gegen die Putschisten einsetzte, griffen die Kommunisten an der Seite der vom Zentralrat der bayerischen Republik gebildeten «Roten Armee» in die Kämpfe ein und brachten der Soldatenwehr eine empfindliche Niederlage bei. Noch am Abend des 13. April trat, ohne Anweisung der Berliner Zentrale, Eugen Leviné, der aus Rußland stammende Führer der bayerischen KPD, an die Spitze der nunmehr zweiten Münchner Räterepublik.
Der Versuch, ein überwiegend agrarisches, katholisches und konservatives Land wie Bayern der Diktatur einer kleinen revolutionären Clique zu unterwerfen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Dem roten Terror der Kommunisten folgte in der ersten Maiwoche der weiße Terror, ausgeübt von württembergischen Freikorps, die auf Noskes Weisung der legalen bayerischen Regierung zu Hilfe kamen. Als die zweite Räterepublik am 3. Mai endgültig niedergeworfen war,zählte man 606 Tote, die in den Kampfhandlungen umgekommen waren, unter ihnen 38 Angehörige der Regierungstruppen und 335 Zivilisten. Leviné wurde wegen Hochverrats angeklagt, zum Tode verurteilt und am 5. Juni 1919 hingerichtet.
Daß Kurt Eisner ein preußischer Jude, Eugen Leviné und sein Parteifreund Max Levien Ostjuden waren, daß zahlreiche intellektuelle Führer der ersten und zweiten Räterepublik, unter ihnen die Schriftsteller Ernst Toller, Erich Mühsam und der von Freikorpssoldaten ermordete Gustav Landauer, jüdischen Familien entstammten, gab weit über München und Bayern hinaus dem ohnehin starken Antisemitismus mächtigen Auftrieb. Dem begabtesten und bedenkenlosesten der antijüdischen Agitatoren, Adolf Hitler, der seine politische Laufbahn im Sommer 1919 als Vertrauensmann des bayerischen Reichskommandos begann, kamen die Verhältnisse im nachrevolutionären, durch die Erfahrung der Räterepubliken traumatisierten München außerordentlich entgegen: Nirgendwo sonst hätte er für seine Parolen einen derart günstigen Resonanzboden gefunden wie hier.
Der verarmte Beamtensohn aus dem österreichischen Braunau am Inn, ein Mann ohne Realschulabschluß und Berufsausbildung, ein Postkartenmaler und Gelegenheitsarbeiter, war im Mai 1913, damals 24 Jahre alt, um dem Militärdienst in der Doppelmonarchie zu entgehen, von Wien nach München übergesiedelt, hatte sich im August 1914 als Freiwilliger beim bayerischen Heer gemeldet und es als Meldegänger an der Westfront bis zum Gefreiten und Träger des Eisernen Kreuzes gebracht. Als Hitler sich im September 1919 einer rechtsradikalen Gruppierung, der Deutschen Arbeiterpartei, anschloß (die er wenig später, im Februar 1920, in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei umwandelte), lag sein antisemitisches Weltbild bereits fest: «Alles, was Menschen zu Höherem streben läßt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm (dem Juden, H. A. W.) alles nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker, und daraus ergibt sich folgendes: Der Antisemitismus aus rein gefühlsmäßigen Gründen wird seinen letzten Ausdruck finden in der Form von Progromen (sic!). Der Antisemitismus der Vernunft jedoch muß führen zur planmäßigen gesetzlichen Bekämpfung und Beseitigung der Vorrechte der Juden, die er zum Unterschied der anderen zwischen uns lebenden Fremden besitzt (Fremdengesetzgebung). Sein letztes Ziel aber muß unverrückbardie Entfernung der Juden überhaupt sein. Zu beidem ist nur fähig eine Regierung nationaler Kraft und niemals eine Regierung nationaler Ohnmacht.»
In die Zeit zwischen den Berliner Märzkämpfen
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