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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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tätige Sozialdemokrat und ehemalige Artillerieoffizier JuliusDeutsch die einschlägigen Richtlinien vorgelegt, die er nach dem 15. November als Heeresminister in die Tat umsetzte. Ein Wehrgesetz der Provisorischen Regierung vom 18. November sah die allgemeine Wehrpflicht für Männer vom 18. bis zum 41. Lebensjahr vor. In die neue Volkswehr traten auch mit den Sozialdemokraten sympathisierende Offiziere des habsburgischen Heeres ein. Sie nahmen 1918/19 einen aktiven, ja wohl entscheidenden Anteil an den Kämpfen in den überwiegend deutsch besiedelten Gebieten Südkärntens, in die südslawische Verbände eingedrungen waren, und an der Niederwerfung mehrerer kommunistischer Umsturzversuche.
    Die Kommunistische Partei Deutschösterreichs war mit tatkräftiger politischer und finanzieller Unterstützung der Bolschewiki am 3. November 1918 von linksradikalen Intellektuellen und aus Rußland heimgekehrten Soldaten gegründet worden. Eine proletarische Massenbasis zu gewinnen gelang ihr aber weder damals noch später. Die Sozialdemokratie blieb
die
österreichische Arbeiterpartei. Das war vor allem eine Folge der dreijährigen Zwangsvertagung des Reichsrats von 1914 bis 1917: Im Unterschied zur SPD hatte die SPÖ keine Möglichkeit gehabt, sich über der Bewilligung von Kriegskrediten zu zerstreiten. Anders als in Deutschland überlebte in Österreich auch ein Organ der Rätebewegung die Wahl der Konstituante im Februar 1919: Der zentrale Arbeiterrat wurde zu einer Gesamtvertretung der österreichischen Arbeiterschaft. An seiner Spitze stand Victor Adlers Sohn Friedrich Adler, wie schon erwähnt, der im Oktober 1916 aus Protest gegen den Krieg den Ministerpräsidenten Graf Stürgkh erschossen hatte und erst am 1. November 1918 aus der Haft entlassen worden war. Zusammen mit Otto Bauer brachte er die österreichischen Sozialdemokraten auf einen entschiedenen Linkskurs und damit in einen Gegensatz sowohl zum «sozialpatriotischen» Karl Renner als auch zu den deutschen Sozialdemokraten.
    Die Frage, welche Gebiete künftig zu Deutschösterreich gehören würden, war bei der Proklamation der Republik noch keineswegs geklärt. Anfang November versuchten die Deutschen in Böhmen und Mähren auf unterschiedliche Weise, ihre Vereinigung mit Deutschösterreich durchzusetzen. Die unmittelbar an Österreich grenzenden Gebiete wollten sich als Böhmerwaldgau und Deutschsüdmähren anschließen; in Reichenberg und Troppau bildeten sich Landesregierungen für Deutsch-Böhmen und Sudetenland. Ein österreichisches Gesetzvom 22. November 1918 bestätigte den Anspruch auf das gesamte geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der bisher im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder. Rund eine Woche zuvor, am 14. November, war in Prag Tomáš Masaryk in Abwesenheit von der Provisorischen Nationalversammlung zum Staatspräsidenten der Tschechoslowakischen Republik gewählt worden (Masaryk kehrte erst am 21. Dezember aus dem Exil in seine Heimat zurück); das Amt des Ministerpräsidenten hatte der Führer der «Jungtschechen», Karel Kramár, übernommen. Im Dezember ließ seine Regierung die sudetendeutschen Gebiete durch Truppen besetzen. Wie der Wiener Anspruch auf den Anschluß der deutschsprachigen Landesteile Böhmens und Mährens gegen die neue Prager Führung und die Alliierten durchgesetzt werden sollte, war völlig offen.
    Dasselbe galt für die Forderung nach der Vereinigung Deutschösterreichs mit dem Deutschen Reich. In Deutschland fand der Ruf nach der Verwirklichung der großdeutschen Idee viel Zustimmung, besonders bei den Sozialdemokraten, die sich als die wahren Erben und Testamentsvollstrecker der Revolution von 1848/49 fühlten. Als der österreichische Gesandte in Berlin, Ludo Hartmann, auf der Reichskonferenz der deutschen Länder am 25. November, gestützt auf den einstimmigen Beschluß der Nationalversammlung, den Wiener Anschlußwunsch vortrug, erhob der im Amt verbliebene Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Wilhelm Solf, unter Hinweis auf die bevorstehenden Friedensverhandlungen jedoch entschiedenen Einspruch. Dem fügten sich auch die anwesenden Volksbeauftragten mit Ebert an der Spitze. In seiner Ansprache an die deutsche Nationalversammlung begrüßte Ebert am 6. Februar 1919 zwar unter lebhaftem Beifall den Willen Deutschösterreichs zur Vereinigung mit Deutschland und sprach die Erwartung aus, daß die Nationalversammlung die künftige Regierung baldigst zu Verhandlungen mit

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