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Geschichte Hessens

Geschichte Hessens

Titel: Geschichte Hessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank-Lothar Kroll
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Grundrechtsgarantien: Rechtsgleichheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit. Mit all diesen Bestimmungen ermöglichte die hessen-darmstädtische Verfassung von 1820 in den folgenden Jahrzehnten eine konstruktive Zusammenarbeit von Regierung und Landtag – immerhin hat sie sich im Großherzogtum bis zum Ende der Monarchie 1918 erfolgreich behauptet.
    Das
Herzogtum Nassau
hatte bereits im September 1814 eine Verfassung erhalten, früher als jeder andere damalige deutscheStaat. Dies mochte auf den Einfluß des aus Nassau stammenden und dort begüterten Reichsfreiherrn Karl vom Stein zurückzuführen sein, dem Initiator der Preußischen Reformen von 1806/07. Der Freiherr vom Stein hatte im August 1814 eine Denkschrift «Über eine ständische Verfassung im Herzogtum Nassau» vorgelegt. In ihr forderte er die Mitwirkung der «Landstände», also der Vertreter des in Stände gegliederten Volkes, an der Gesetzgebung und der Steuerbewilligung, ferner die Garantie des Eigentums, der persönlichen Freiheit und der Unabhängigkeit der Justiz. Stein fand in dem nassauischen Staatsminister Ernst Freiherr Marschall von Bieberstein (1770–1834) und in dem Wiesbadener Regierungspräsidenten Karl Friedrich von Ibell (1780–1834) zwei engagierte Mitstreiter, die dafür sorgten, daß das 1814 erlassene nassauische Verfassungsedikt zu den liberalsten seiner Art in ganz Europa zählen sollte und sowohl die politischen Freiheitsrechte sicherte als auch die staatsbürgerliche Gleichheit vor dem Gesetz garantierte. Selbst wenn die politische Praxis im Herzogtum Nassau während der nachfolgenden Jahrzehnte mit diesen konstitutionellen Idealen keineswegs immer übereinstimmte – bereits im Jahr 1818 besaßen infolge des hohen Zensus nur noch knapp 1 % der Einwohner das Wahlrecht –, war damit doch ein Impuls gegeben, der Nassau wie Hessen-Darmstadt den Anschluß an die liberale politische Kultur der Verfassungsstaaten des deutschen Südens ermöglichte.
    Dies galt vorerst nicht für das
Kurfürstentum Hessen-Kassel,
dessen nach 1815 amtierende Regenten allesamt von erstaunlicher politischer Instinktlosigkeit gewesen sind und den Anschluß an den Geist der Zeit verfehlten. Schon Heinrich von Treitschke (Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, III.7: Kurhessen) hat nicht ohne Berechtigung darauf hingewiesen, daß seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert im Haus Philipps des Großmütigen «eine rätselhafte Entartung» um sich greife, die stetig fortschreite und in nur wenigen Generationen den Ruhm «fünf reicher Jahrhunderte» verspielen sollte, «bis dies weiland ehrenreiche Fürstengeschlecht endlich seinem treuen Volke selber zum Ekel wird und unbeweint ins Verderben stürzt.» Anders als Hessen-Darmstadt und Nassau erhielt Kurhessen nach1815 keine Verfassung, es gab keinen Landtag, kaum organisierte politische Interessengruppen und so gut wie keine Presse. Erst im Gefolge der Pariser Julirevolution bequemte sich der Kurfürst 1831, seinen Landeskindern eine Konstitution zu gewähren, die damals sogar von Karl Marx als liberalstes Grundgesetz Europas gerühmt wurde. Doch klafften, stärker noch als in Nassau, Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit in Kurhessen während der Folgezeit immer weiter auseinander, weil Kurfürst Friedrich Wilhelm keine Gelegenheit ausließ, die liberale Verfassung des Landes durch einen autokratisch-absolutistischen Regierungsstil auszuhöhlen. Ein permanenter Verfassungskonflikt und andauernde Spannungen zwischen Kurfürst und Volksvertretung hielten den Staat fortan in Atem.
     
    Geist und Kultur im Vormärz
. Das kulturelle, geistige und wissenschaftliche Leben Hessens war – ungeachtet der politisch vielfach unbefriedigenden Situation – in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts von großer Regsamkeit geprägt. Ähnlich wie die Aufklärung hat auch die Romantik in Hessen literarische Repräsentanten von internationalem Rang gefunden und bleibende Spuren hinterlassen. Dies galt zunächst und vor allem für Jacob (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859). Das in Hanau geborene und später lange Zeit in kurhessischen Diensten tätige Brüderpaar hat seine tiefe Verwurzelung in der hessischen Heimat stets mit großem Nachdruck bekundet. «Liebe zum Vaterland», so berichtete Jacob Grimm in seiner Selbstbiographie 1830, «war uns … tief eingeprägt … wir hielten unseren Fürsten für den besten den es geben könnte, unser Land für das gesegneteste unter allen; es fällt mir ein, daß

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