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Geschichte Hessens

Geschichte Hessens

Titel: Geschichte Hessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank-Lothar Kroll
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nach München 1852 der Gießener Universität Ruhm und Glanz eintrug.
    Auch andere hessische Orte und Regionen waren in jenen Jahrzehnten am Aufstieg des deutschen Wissenschafts- und Bildungslebens beteiligt – etwa die Freie Stadt Frankfurt am Main durch Gründung der
Frankfurter Physikalischen Gesellschaft,
der
Naturforschenden Senckenbergischen Gesellschaft
(1817) und des
Städel’schen Kunstinstituts
(1816), oder die großherzoglich-hessische Residenz Darmstadt durch Intensivierung derAktivitäten des dortigen
Polytechnikums
. In Nassau gab es seit 1817 die Simultanschule, welche die andernorts in Deutschland noch lange beibehaltene Konfessionsschule ersetzte und fortan einen gemischt-christlichen Unterricht ermöglichte. Und selbst das winzige, kaum mehr als 50.000 Einwohner zählende nordhessische Fürstentum Waldeck war im 19. Jahrhundert Heimat bedeutender Gelehrter und Künstler – Namen wie der des Theologen, Altertumsforschers und Diplomaten Christian Carl Josias Bunsen, des Bildhauers Christian Daniel Rauch und des Malers Wilhelm von Kaulbach stehen für manche andere.
     
    Religion und Kirche.
Die territorialpolitischen Umwälzungen zum Jahrhundertanfang sind nicht zuletzt für die konfessionellen Strukturen des hessischen Raumes von Bedeutung gewesen. Angehörige der verschiedenen christlichen Bekenntnisse – Lutheraner, Reformierte, Katholiken – waren nun oftmals zu Bürgern ein- und desselben Staates geworden, was vor allem die Annäherung zwischen den beiden evangelischen Kirchen beförderte. 1817, im gleichen Jahr wie in Preußen, entstand im Herzogtum Nassau eine Calvinismus und Luthertum vereinigende evangelische Landeskirche, die das gemeinsame Abendmahl für Anhänger beider Bekenntnisse zuließ. Ab 1821 existierte eine solche Unionskirche im Fürstentum Waldeck, und auch in Hessen-Darmstadt fand der Unionsgedanke zunehmend Anklang.
    Die katholische Kirche Hessens hingegen hatte im beginnenden politischen Verweltlichungsprozeß des frühen 19. Jahrhunderts zunächst stark an Macht und Einfluß verloren. Gebietseinbußen für zahlreiche Territorialfürsten wurden im Rahmen der Säkularisation 1803 aus ehemaligem Kirchenbesitz kompensiert – Erzbistümer und Klöster verloren ihre Unabhängigkeit, sozial engagierte katholische Stiftungen stellten die Arbeit ein. In der zweiten Jahrhunderthälfte konnte die katholische Kirche ihre Stellung dann jedoch allmählich wieder festigen. Der Mainzer Katholikentag von 1848 wurde zu einem weit über die Grenzen des Großherzogtums Hessen-Darmstadt hinausstrahlenden Ereignis und zu einem Symbol katholisch-kirchlichen Erneuerungsstrebens. Dieses fand in Hessen während der folgendenJahrzehnte einflußreiche Repräsentanten – so in der Person des Zentrumspolitikers Karl Friedrich von Savigny (1814–1875) und seines Kreises, besonders aber durch den seit 1850 amtierenden Mainzer Bischof Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler (1811–1877), der als Mitbegründer des politischen Katholizismus und engagierter Verfechter einer aktiven Sozialpolitik zu den kirchlichen Leitfiguren der Epoche zählte.
    Für die jüdische Bevölkerung Hessens wiederum brachte die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts einen entscheidenden Emanzipationsschub – Hessen-Darmstadt, Kurhessen und Nassau hatten bereits im Vormärz erste Maßnahmen zu deren rechtlicher Gleichstellung getroffen. Über die Jahrhunderte hinweg war den hessischen Juden der Besitz von Land ebenso verboten gewesen wie jede bäuerliche oder handwerkliche Betätigung innerhalb zunftbezogener Arbeitsregelungen. Daraus hatte sich vielerorts eine wirtschaftliche Sonderstellung für die in Handel, Kreditwesen und Geldgeschäften tätigen Juden ergeben. Einigen wenigen von ihnen, allen voran der Frankfurter Bankiersfamilie der Rothschild, war in diesem Umfeld der Aufstieg zu Reichtum und Ansehen geglückt. Doch die meisten hessischen Juden waren arm und lebten als Krämer oder Pfandleiher in den Städten oder als Viehverkäufer, Getreidehändler und Hausierer auf dem Land. Mit der vollständigen Judenemanzipation, die in Kurhessen und Nassau erst 1869, nach dem Übergang beider Länder an Preußen, im Rahmen der Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes vollzogen wurde, war für die hessischen Juden der Weg frei zu beruflichem und gesellschaftlichem Aufstieg. Manche machten nun Karriere als erfolgreiche Ärzte, Anwälte oder Journalisten, als Schriftsteller oder Künstler. Andere freilich mußten den traditionellen

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