Geschichte Hessens
Schnittpunkt europäischer Handelswege seit dem Mittelalter als wirtschaftliches Zentrum des gesamten Raumes gelten konnte. Frankfurt am Main wuchs als Messe-, Buch- und Verlagsort ab Mitte des 19. Jahrhunderts zur Großstadt heran und entwickelte sich zum Mittelpunkt eines immer weiter ausgreifenden Ballungsgebiets. Von herausragender Bedeutung war dabei das expandierende Banken-, Börsen- und Geldgeschäft, das den Handel mit Waren und Gütern der aus allen Gegenden Europas angereisten Messekaufleute mittels Festlegung einheitlicher Wechselkurse für die vielen unter Käufern und Verkäufern kursierenden Währungen zu regeln hatte. Der im frühen 19. Jahrhundert aufgekommene Handel mit Wertpapieren trug wesentlich zur Europäisierung und Internationalisierung des Finanzlebens im Rhein-Main-Gebiet bei. Später, in der zweiten Phase der Industrialisierung, dominierten im Großraum Höchst-Hofheim-Idstein-Wiesbaden besonders der Automobilbau sowie die Chemische Industrie. Im großherzoglich-hessischen Ort Rüsselsheim gründete der Schlosser Adam Opel (1837–1895) 1862 eine Fabrik für Nähmaschinen, die seit 1886 Fahrräder und seit 1898 Automobile produzierte (seit 1929 mehrheitlich im Besitz des US-Konzerns General Motors). Die chemischen Großfabriken der Region schlossen sich 1916 zu einer Interessengemeinschaft und 1925 zur I. G. Farbenindustrie mit Sitz in Frankfurt am Main zusammen. Daraus entstand der damals größte Industrietrust Deutschlands.
Der Eisenbahnbau.
Nachhaltig gefördert wurde der Industrialisierungsprozeß während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den Ausbau des Schienennetzes in den hessischen Territorien. 1846 wurde die «Rhein-Neckar-Bahn» von Frankfurt über Darmstadt nach Heidelberg eröffnet, gleichzeitig waren die «Kürfürst-Friedrich-Wilhelm-Nordbahn» um Kassel und die «Main-Weser-Bahn» von Gießen aus im Bau, gefolgt von der linksrheinisch um Mainz geführten «Ludwigsbahn».1862 eröffnete die «Gießen-Deutzer Bahn»; sie stellte die Verknüpfung zwischen dem nassauischen Erzrevier und den rheinisch-westfälischen Kohlegruben her. Ein Jahr später folgte die «Lahnbahn» mit einem Streckenabschnitt von Wetzlar bis Oberlahnstein. Von dort bestanden Verbindungen zum Schiffsverkehr auf dem Rhein oder zu den Rheinbahnen. Durch den Export per Schiene nach Preußen, Belgien und Frankreich erschlossen sich die nassauischen Grubenbetriebe Abnehmer in ganz Europa. In der Folgezeit wurde das hessische Eisenbahnnetz dann kontinuierlich über die hessischen Grenzen hinweg ausgedehnt, nach Preußen, Hannover und Bayern ebenso wie nach Baden und in die Pfalz. Hessen wurde damit einmal mehr zum Knotenpunkt zahlreicher neuer Verkehrswege, die in alle Richtungen ausgriffen und sich als hervorragende Startbahnen für den wirtschaftlichen Aufschwung des gesamten Raumes erwiesen.
Gewerbefreiheit und Aktienbanken.
Bis in die 1860er Jahre hinein waren in fast allen Territorien Hessens der wirtschaftlichen Entwicklung durch Zunftordnungen noch enge Regeln auferlegt. Nur im Herzogtum Nassau galt seit 1814 die Gewerbefreiheit; Frankfurt am Main und das Großherzogtum Hessen-Darmstadt vollzogen erst 1864 bzw. 1866 den Übergang zur freien Gewerbeausübung, obwohl die Darmstädter Regierung durch Agrar- und Infrastrukturreformen (Chausseenbau) schon in der ersten Jahrhunderthälfte dafür prinzipiell die Voraussetzungen geschaffen hatte. In Kurhessen wurden die Zünfte gar erst 1867, nach der Angliederung des Landes an Preußen und der Übernahme der dort seit 1810 geltenden Freiheit der gewerblichen Betätigung, aufgehoben. Nun war in ganz Hessen der Weg frei für eine kontinuierliche Entfaltung unternehmerischen Fleißes und wirtschaftlichen Könnens. Der rasante Aufstieg wäre jedoch kaum möglich gewesen, wenn sich nicht auch in den hessischen Territorien zahlreiche Aktienbanken gebildet hätten, die den erhöhten Finanzbedarf angesichts der beginnenden Industrialisierung durch Bereitstellung von Krediten für Gewerbe und Unternehmen zu decken vermochten. 1853 wurde die«Bank für Handel und Industrie» mit Sitz in Darmstadt gegründet («Darmstädter Bank»), 1854 erhielt die «Frankfurter Bank» als Aktiengesellschaft ihre Konzession, und die «Nassauische Landesbank» in Wiesbaden vergab bereits seit den 1840er Jahren Kredite an die expandierende heimische Montanindustrie.
Zollpolitik.
Bereits zuvor, in den 1830er Jahren, waren die handels- und zollpolitischen
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