Geschichte Hessens
Modelle patrizischer Herrschaft erinnerte als an moderne Formen politischer Partizipation. Das Frankfurter Bürgerrecht war an einen Vermögens- und Einkommensnachweis von beträchtlicher Höhe gebunden, was den überwiegenden Teil der Bevölkerung vom städtischen politischen Leben ausschloß. Verglichen mit den Abgeordnetenkammern der frühkonstitutionellen deutschen Fürstenstaaten hatte die «Ständige Bürgerrepräsentation» gegenüber dem «Regierenden Senat» als dem eigentlichen politischen Machtzentrum des Stadtstaates eine schwache Position. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die städtischen Finanzen zu kontrollieren. Als Schlichtungsinstanz zwischen Senat und Bürgerrepräsentation fungierte die «Gesetzgebende Versammlung», die an legislativen Maßnahmen, am Abschluß von Staatsverträgen und bei der Festsetzung von Steuern beteiligt war. Sie besaß jedoch kein Petitionsrecht, durfte von sich aus keine Gesetzesanträge einbringen und tagte zudem in nichtöffentlichen Sitzungen. In allen drei Gremien dominierte die städtische Elite aus wohlhabenden Kaufleuten und Bankiers – eine Bürgeroligarchie, deren Herrschaftsanspruch mit den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Forderungen der Frankfurter Handwerker vielfach kollidierte. Diese opponierten vor allem gegen die vom Senat im Interesse der Kaufmannschaft favorisierte Gewerbefreiheit. Schon 1819 hatte es im Rahmen von Protestaktionen arbeitsloser Lehrlinge judenfeindliche Ausschreitungenin der Stadt gegeben, und es war wohl mehr als ein bloßer Zufall, daß sich radikale Studenten und Intellektuelle aus ganz Hessen im April 1833 zu einem – erfolglosen – Sturm auf die Frankfurter Hauptwache hinreißen ließen. Dieser sollte das Zeichen zum Sturz des Deutschen Bundes und zur Errichtung einer deutschen Republik geben. Denn Frankfurt war nach 1815 auch Sitz der Bundesversammlung, jenes obersten Organs der 41 im Deutschen Bund zusammengeschlossenen Staaten, welches vielfach und immer wieder als Symbol einer die nationalen und demokratischen Kräfte der Zeit hemmenden Politik angesehen wurde. Für Frankfurt selbst freilich brachte die Anwesenheit der Bundesversammlung manche Vorteile: Das Gremium besaß den Charakter eines ständig tagenden Gesandtenkongresses und trug in dieser Eigenschaft nicht unerheblich dazu bei, Wohlstand und internationalen gesellschaftlichen Glanz in die Stadt zu ziehen.
Waldeck und Hessen-Homburg.
Eher biedermeierlich geprägt war das vormärzliche politische Leben hingegen in den beiden souveränen Miniatur-Monarchien Waldeck und Hessen-Homburg. Das Fürstentum Waldeck (1055 km 2 ) im Nordwesten des heutigen Landes Hessen, ein waldreiches, abseits der großen Verkehrswege gelegenes Territorium, dessen Herrscherhaus von chronischen Finanzsorgen geplagt war, hatte 1816 unter seinem tatkräftigen und reformfreudigen Fürsten Georg-Heinrich (1789–1845) eine moderne Verfassung erhalten, die auch breiteren, besonders bäuerlichen Bevölkerungsschichten politische Mitspracherechte gewährte. Danach jedoch versank das Land in einen politischen Dämmerschlaf – bis zum Jahr 1828 fanden zunächst überhaupt keine Landtagssitzungen mehr statt. Das Fürstenhaus pflegte ein mildes, konsensorientiertes patriarchalisches Regiment und konnte mit beträchtlichen Sympathien im Land rechnen. Ähnliches galt für die Landgrafschaft Hessen-Homburg (261 km 2 ), ein seit 1622 existierender, ab 1815 souveräner Zwergstaat, der 1866, nach dem kinderlosen Tod des letzten (seit 1848) regierenden Landgrafen Ferdinand (1783–1866), zunächst an Hessen-Darmstadt fiel und dann an Preußenabgetreten werden mußte. Eine Verfassung erhielt die Landgrafschaft erst 1850. Sie trat jedoch niemals in Kraft und wurde bereits 1852 wieder aufgehoben.
Die Revolution von 1848/49.
Die Märzrevolution von 1848 verlief in allen hessischen Staaten turbulent, doch zugleich unblutiger und unspektakulärer als in manchen anderen Städten und Regionen Deutschlands, etwa in Wien, Berlin oder im Südwesten. Seine Zentren hatte der hessische Radikalismus in Gießen, Mainz, Hanau und Worms. In den Residenzorten Wiesbaden, Darmstadt und Kassel bewogen Massendemonstrationen in der ersten Märzhälfte 1848 die Regierungen und den jeweiligen Landesherrn zur raschen Bewilligung der allseits erhobenen «Märzforderungen, allgemeines Versammlungs-, Vereinigungs- und Petitionsrecht, freie allgemeine Wahlen, Einberufung eines deutschen Parlaments, völlige Gewissens-
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