Geschichte Irlands
der bedeutsamsten Wegscheiden der englischen Geschichte in der Frühen Neuzeit. Vergleichbares gilt für Irland, das mit der Rebellion von 1641 seinen eigenen Bürgerkrieg erlitt. Der konfessionelle Gegensatz zwischen dem etablierten, kolonialkirchlichen Protestantismus und dem radikal bekämpften «Papismus» war hier unüberbrückbar geworden. Das hatte sich auch nicht mit Wentworths misslungenem Versuch geändert, die Fronten durch die missionarische Ãffnung der Staatskirche (Church of Ireland) in das Land hinein aufzubrechen.
Irland ähnelte in den 1640er Jahren dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zur Zeit des DreiÃigjährigen Krieges in dem Ausmaà der Verwüstungen kleinerer Städte sowie in der Verachtung, mit der die religiösen Parteien einander begegneten. Insofern besaà die Insel ungeachtet der für sie spezifischen Probleme Gemeinsamkeiten mit dem kontinentalen Europa und war gleichermaÃen Opfer einer übergreifenden Krise. Die Konföderation von Kilkenny im Oktober 1642 z.B. war eine parlamentsähnliche Zusammenkunft loyaler Katholiken, die sich hinter Karl I. stellte. Sie diente aber dem englischen König, nicht weniger als dem spanischen und dem französischen, letztlich nur als Hebel zur Mobilmachung neuer Truppen. Die Stadt Kilkenny war der Inbegriff eines monolithischen irischen Katholizismus. Nirgendwo sonst besaà die katholische Kirche vor dem Bürgerkrieg eine derartige Bastion gegen den Anglikanismus. Inwieweit die Konföderation eigenständig agierte und nicht vom päpstlichen Nuntius Giovanni Rinuccini manipuliert wurde,ist eine brisante Frage. Vieles spricht jedoch dafür, dass sie souveräner war, als sie von Europas Herrscherhäusern wahrgenommen wurde. Manches spricht aber auch dagegen, dass es sich hier um ein geeintes politisches Gebilde handelte. Der für Irland so typische Regionalismus und Partikularismus sowie die ethnischen Verschiedenheiten machten eine Einheit unter patriotischen Vorzeichen vorerst unmöglich.
Die Vermessung Irlands
William Pettys 1691 postum veröffentlichte Schrift
The Political Anatomy of Ireland
legt Zeugnis davon ab, wie aufmerksam der Freund von Thomas Hobbes die Umbrüche seiner Zeit wahrnahm. Karl Marx sah in ihm einen der Väter des modernen volkswirtschaftlichen Denkens. Schon 1655â1658 verfasste Petty im Auftrag Cromwells einen topographischen Ãberblick über die irischen Ländereien. Diese geographische, ökonomische und sozio-politische Vermessung Irlands ist wahrscheinlich die genaueste, die es von einem europäischen Land aus dem 17. Jahrhundert gibt. Auf ihrer Grundlage fanden umfassende Umverteilungen von Land statt. Alle am Aufstand 1641 beteiligten katholischen Priester und Landbesitzer sollten enteignet und die neutral verbliebenen Katholiken im Gegenzug kompensiert werden. Das schützte Letztere indessen nicht vor dem drastischen, wenn auch letztlich erfolglosen Versuch, die gesamte Insel zu evangelisieren. Cromwells Soldaten wurden, wie schon erwähnt, Höfe und Ländereien übertragen, während deren katholische Besitzer nach Connacht vertrieben wurden. Die Zahlen sprechen für sich: Am Ende der Tudor-Monarchie 1603 hatten noch 90 % des Landes irischen Katholiken gehört. Als Folge der Besiedlungspolitik für Ulster war der Anteil um 1641 auf 59 % reduziert worden. Als schlieÃlich Jakob II. 1685 den englischen Thron bestieg, waren nur noch 22 % des Landes in katholischer Hand â 100 Jahre später sollten es lediglich 5 % sein. 1687 schätzte Petty die Gesamtbevölkerung Irlands auf ungefähr 1,3 Millionen. Davon lebte die überwiegende Mehrheit auf dem Land, war u.a. in der Woll- und Leinenproduktionbeschäftigt und wendete den GroÃteil ihres Einkommens für die Bezahlung der Pacht auf. Unter diesen Umständen gab es kein Entkommen aus der prekären Armut. Sie barg neben der politischen Instabilität für die Grundbesitzer ein weiteres unkalkulierbares Risiko, das durch Rezessionen noch gesteigert wurde: Ernteausfälle zogen Pachtausfälle nach sich, und diese wiederum gefährdeten den AuÃenhandel. Schlimmer noch waren die Hungersnöte, die schwache Ernten verursachen konnten. War der Export irischer Waren fast ausschlieÃlich auf England beschränkt, so entschärfte sich dieses Problem auch nicht durch die englische ErschlieÃung des
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