Geschichte machen: Roman (German Edition)
Anfang … als Sie noch glaubten, ich wäre Jude, da hatten Sie also keine Einwände, nein? Da durfte ich nach Rache dürsten. Aber jetzt, wo Sie wissen, daß ich Deutscher bin, daß mein Vater eines der Schweine von Auschwitz war, da sieht das plötzlich ganz anders aus, ja? Rachsucht ist edel, aber der Wunsch nach Wiedergutmachung nicht?
MICHAEL
Nein, das meine ich überhaupt nicht. Ich wollte bloß …
LEO ergreift MICHAELs Hand.
LEO
Pup, passen Sie mal auf. In diesem Leben sind Sie entweder eine Ratte oder eine Maus. Dazwischen gibt es nichts. Aber …
MICHAEL
Na und? Wer ist schon gern eine Ratte?
LEO
Lassen Sie mich ausreden. Der Unterschied liegt darin, daß eine Ratte Gutes oder Böses tut, indem sie den Lauf der Welt verändert. Sie
handelt
. Die Maus dagegen tut Gutes oder Böses durch Nichtstun. Sie weigert sich einzugreifen. Welche von beiden möchten Sie sein?
MICHAEL sieht auf den Bildschirm. Auf LEOs Gesicht. Auf die Pillen auf dem Tisch.
MICHAEL (atmet tief durch)
In Gottes Namen.
LEO lächelt.
MICHAEL erwidert sein Lächeln.
MICHAEL (fortgesetzt)
Seien Sie eine Ratte und schnappen Sie sich die Maus da.
LEO greift nach der mit TIM verbundenen Maus, und das Bild auf dem Schirm verändert sich.
LEO
Da! Das Rote ist das Wasser. Das ist Ihre Zisterne, soviel steht fest. Man sieht das rote Band, das sich durchs Bild zieht. Im Hintergrund entsteht plötzlich eine Bewegung.
MICHAEL
Ach du dickes Ei! Was war das? Was meinen Sie?
LEO
Wer weiß? Vielleicht ein Tier. Ich fahre jetzt näher an die Zisterne ran.
Nach und nach füllt sich der ganze Bildschirm mit Rot.
MICHAEL
Es ist einfach unglaublich …
LEO läßt die Maus los.
LEO
Sie wissen, was Sie zu tun haben, wenn ich Bescheid gebe.
Die Musik wird lauter.
MICHAEL geht zum Kanister mit den Pillen, an dessen Seite sich ein roter Knopf befindet.
MICHAEL leckt sich die Lippen und legt den Daumen an den Knopf.
LEO legt einen Finger an einen kleinen Hebel auf TIMs Tastatur.
Die beiden sehen sich an.
Die MUSIK wird lauter.
NAHAUFNAHME MICHAEL.
NAHAUFNAHME der Pillen im Kanister.
NAHAUFNAHME LEO.
NAHAUFNAHME von LEOs Finger über der Tastatur.
NAHAUFNAHME von MICHAELs Daumen.
LEO nickt zweimal und …
LEO
Jetzt!
MICHAELs Daumen drückt auf den Knopf.
Man sieht die vier Pillen im Kanister leuchtend hell aufglühen. Dann verblassen sie langsam, denn …
LEOs Finger legt den kleinen Hebel um.
In der roten Fläche auf TIMs Bildschirm tauchen verschwommen die glühenden Geister von vier Pillen auf.
Die Pillen sind aus dem Kanister verschwunden.
Sie sind in der Zisterne von Braunau eingetroffen.
Vor MICHAELs Augen findet im Raum plötzlich ein wirbelndes Morphing statt.
Die Satellitenbildschirme, die Tastatur, sogar LEO selbst – alles ändert seine Gestalt, verflüssigt sich und bildet einen Strudel.
Als die MUSIK ihren Höhepunkt erreicht, wird offensichtlich, daß alles um MICHAEL herum in einen Wirbel gezogen wird. Materie,Licht, Energie – alles wird Teil eines großen Tornados aus Licht und Farbe.
Das Epizentrum des Tornados ist TIMs Bildschirm. Beginnend mit kleinen Objekten wird nach dem Morphing Stück für Stück die gesamte Materie eingesogen.
MICHAEL verfolgt, wie LEO vor seinen Augen verschwindet, in den Bildschirm gesogen wird, als wäre er bloß ein Blatt, das man in den Abfluß spült.
Eine riesige, gleißende Implosion aus Licht und Farbe, und jetzt reißt es auch MICHAEL von den Beinen. Er fliegt durch den Bildschirm, als machte er einen Hechtsprung in ein Meer aus glühendem Quecksilber.
Alles andere, anscheinend das ganze Universum wird im Handumdrehen von TIM aufgesogen, der am Ende umgestülpt wird und sich selbst verschluckt. Danach bleibt nur noch …
BLACKOUT
ZWEITES BUCH
Regionalgeschichte
Henry Hall
»Meine Damen und Herren, herzlich willkommen in Reiherstadt …«
»
Au …
«
»Hey, ich hab gesagt, ›lehn deinen Kopf an die Wand‹, nicht ›knall deinen Schädel mit Karacho dagegen‹, du Pfeife.«
»Ekelhaft, wirklich eklig.«
»O Mann, da kommen noch Stücke …«
»Mist, ich hab was auf die Schuhe gekriegt …«
»Mit seinem Kopf alles klar?«
»Er blutet nicht, aber morgen hat er garantiert ’ne tierische Beule.«
»Greif ihm mal jemand unter die Arme.«
»Den anfassen? Ich kann mich beherrschen!«
»Warum macht er das bloß
jedes beschissene Mal
? Mein lieber Scholli
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