Geschichten aus dem Ringwelt-Universum
und dem vierten Knopf meines weiten Jumpers. Das Waffenarsenal in meinem hübschen Kleidungsstück hatte mir nicht gegen jinxanische Kraft und Schnelligkeit geholfen. Aber Flatlander sind alles andere als gelenkig; das gleiche gilt für Jinxaner. Forward hatte sich damit begnügt, meine Hände zu fesseln. Ich bekam die zwei Knöpfe zwischen die Zehen und zog. Meine Beine verrenkten sich zu einer Bretzel. Ich besaß keinen Halt. Aber der eine Knopf riß ab; dann kam der Moleküldraht heraus. Eine unsichtbare Waffe für den Kampf gegen Forwards unsichtbares bodenloses Loch. Der Draht riß den anderen Knopf ab. Ich senkte meine Füße wieder hinab, wohin sie gehörten, straffte den Draht und drückte nach hinten. Ich spürte, wie die Sinclair-Molekülkette in die Säule schnitt wie Zwirn in Butter.
Der Greifer war noch in Bewegung. Sobald der Draht die Säule durchschnitten hatte, konnte ich damit die Fesseln zu durchtrennen versuchen. Wahrscheinlich war es allerdings, daß ich mir dabei die Handgelenke aufschnitt und verblutete; aber ich mußte es wenigstens versuchen. Ich fragte mich, ob sich noch irgend etwas unternehmen ließ, ehe Forward mit seinem Schwarzen Loch Ausfaller buchstäblich aus der Welt schaffte.
Ein kalter Luftzug umwehte meine Füße. Ich blickte hinab. Rings um die Säule breitete sich dichter Nebel aus. Durch die haarfeine Schnittstelle mußte ein sehr kaltes Gas ausdringen. Ich sägte weiter. Immer mehr Nebel kam zum Vorschein. Die Kälte wirkte lähmend. Ich spürte einen Ruck, als der magische Draht die Säule zerteilt hatte. Nun die Handgelenke…
Flüssiges Helium?
Forward hatte uns an das Hauptsuperleitungskabel der Energiezufuhr gebunden. Das war wahrscheinlich ein Fehler. Ich drückte meine Füße vorwärts, gleichmäßig und zielstrebig, und fühlte, wie der Draht sich nochmals durch die Säule schob.
Der Greifer hatte seine Schwenkbewegungen eingestellt. Er wand sich wie eine blinder Wurm, der umhertastet, während Forward feine Adjustierungen vornahm. Angelino zeigte allmählich Anzeichen der Mühe, die es ihn kostete, sich mit dem Kopf nach unten am Sessel festzuhalten. Durch meine Füße ging ein neuer Ruck. Sie waren schrecklich kalt, beinahe gefühllos. Ich ließ die Knöpfe los, so daß sie hinauf unter die Kuppel schwebten, und trat mit den Fersen kräftig nach hinten aus.
Das herausgeschnittene Stück Säule rutschte. Ich trat nochmals zu. Um meine Füße brachen Donner und Blitz aus. Ich riß die Füße herauf bis unters Kinn. Die Blitze knatterten und spien weißes Licht in das Wallen des Nebels. Verwundert drehten Forward und Angelino die Köpfe. Ich lachte sie aus, ließ es sie wissen, woher das rührte: Ja, meine Herren, das ist mein Werk.
Das Blitzen hörte auf. Forward schrie in die plötzlich entstandene Stille. »Wissen Sie, was Sie da angerichtet haben?«
Die Säule erbebte unter vernehmlichem Knirschen; ich spürte sie unter meinem Rücken zittern. Ich blickte auf. Dem Greifer fehlte ganz unvermittelt ein Stück.
Ich hing kopfüber und wurde schwerer. Angelino löste es aus seinem Halt am Sessel; er trudelte hinauf unter die Kuppel zu dem Sternenhimmel. Er schrie. Meine Beine umklammerten fest die Säule. Ich bemerkte, wie Carlos’ Füße nach einem Halt suchten, und hörte ihn lachen. Über den Rand der Kuppel erhob sich ein Lichtspeer – die Hobo Kelly im Bremsmanöver; sie wurde größer. Von ihr abgesehen, war der Sternenhimmel leer und verlassen. Und dann löste sich mit einem Knacken ein Stück der Kuppel. Angelino schrie und fiel. Dicht über der Kuppel schien ein blaues Licht ihn in Brand zu setzen. Dann war er fort.
Durch das Loch in der Kuppel fauchte Luft nach draußen, weitere Luft verschwand in das Ding, welches unsichtbar gewesen war, das nun jedoch als blauer Stecknadelkopf hinab zum Boden sank. Forward hatte sich umgedreht und beobachtete es. Unbefestigte Gegenstände fielen durch die Kammer, kreisten mit der Geschwindigkeit von Meteoren um den blauen Punkt oder stürzten unter Ausbrüchen heller Leuchterscheinungen hinein. Jedes einzelne Atom meines Körpers spürte die Anziehungskraft dieses Dings, das Drängen, in endlosem Fall zu vergehen. Wir hingen nun nebeneinander an einer horizontalen Säule. Mit Anerkennung stellte ich fest, daß Carlo’s Mund weit geöffnet war – so wie meiner – , um die Lungen dem Druckwechsel anzupassen, damit sie nicht platzten, wenn alle Luft sich verflüchtigt hatte. Dolche schienen in meinen Ohren und
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