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Geschichten aus dem Ringwelt-Universum

Geschichten aus dem Ringwelt-Universum

Titel: Geschichten aus dem Ringwelt-Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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gewachsen. Sie hielt einen Grashalm zwischen den Zähnen. Ich spürte in ihr eine verwandte Seele, und einmal, als unsere Blicke sich trafen, winkte ich ihr mit dem Zeigefinger zu, und sie winkte zurück.
    In einer Minute würde ich jetzt aufstehen müssen. Jill wollte mich in einer halben Stunde am Wiltshire-Ausgang treffen. Aber ich hatte meinem Spaziergang am Sunset-Boulevard-Zubringer begonnen, und ich war müde. Noch eine Minute…
    Es war ein guter Ort, um zuzusehen, wie die Welt sich drehte.
    Und auch ein guter Tag. Überhaupt keine Wolken. An diesem heißen, blauen Sommernachmittag war der King’s Freipark so belebt wie selten.
    Irgend jemand im Polizeihauptquartier hatte damit gerechnet. Doppelt so viele Monitore wie gewöhnlich hingen am Himmel und warteten. Goldene Kugeln auf blauem Grund, so groß wie Basketbälle, dreieinhalb Meter hoch. Jede von ihnen mit einem Fernsehauge und einem Paralysator ausgestattet, jede von ihnen direkt mit dem Polizeihauptquartier verbunden, waren sie da, um dem Gesetz des Parks Geltung zu verschaffen:
    Keine Gewalt.
    Keine Hand durfte gegen einen anderen erhoben werden – und sonst gab es keine Gesetze. Das Leben in einem Freipark war oft recht unterhaltsam.
    Im Norden, auf Sunset zu, ging ein Mann mit einem weißen, rechteckigen Schild, das auf beiden Seiten leer war. Er marschierte vor einem verbissenen jungen Mann auf einem Plastikbehälter hin und her, der ihm einen Vortrag über Kernverschmelzung und die Probleme der Abwärmebelastung hielt. Selbst auf die Entfernung konnte ich die Überzeugung und den Eifer in seiner Stimme hören.
    Im Süden warf eine Handvoll von wild schreienden Typen mit Steinen nach einem Monitor. Der goldene Basketball wich den Steinen aus, allerdings immer nur knapp. Irgendein schwarzhaariger Fanatiker schien sie dazu angestiftet zu haben. Ich fragte mich, woher sie wohl die Steine hatten. Steine waren selten im King’s Freipark.
    Der schwarzhaarige Mann kam mir irgendwie bekannt vor. Ich sah zu, wie er und seine Horde das Wachauge hetzten… dann vergaß ich sie, weil ein Mädchen aus einer Ulmengruppe geschritten kam.
    Sie war phantastisch. Lange, vollkommene Beine, dunkelrotes Haar, das ihr über die Schultern fiel, das Gesicht eines unnahbaren Engels und ein Körper so perfekt, daß er unwirklich erschien, wie der Traum eines Jünglings. Ihr Gang verriet Übung; vielleicht war sie ein Mannequin oder eine Tänzerin. Ihr einziges Kleidungsstück war ein wehender Mantel aus leuchtendblauem Taft.
    Er war fünfzehn Meter lang, dieser Mantel. Er hing an zwei großen goldenen Scheiben, die irgendwie an ihren nackten Schultern befestigt waren. Er zog sich lang und länger bis zu seiner Gänze in etwa anderthalb Meter Höhe hinter ihr her und drehte und wand sich, um ihrem Pfad durch die Bäume zu folgen. Sie wirkte wie eine Illustration in einem Märchenbuch, wenn man berücksichtigt, daß die ursprünglichen Märchen nicht für Kinder gedacht waren.
    Und das war sie gewiß nicht. Man konnte überall im Park die Nackenwirbel knacken hören. Selbst die Steinewerfer hatten innegehalten, um ihr nachzusehen.
    Sie konnte die Aufmerksamkeit spüren oder sie in einem Raunen von Seufzern hören. Das war es, wofür sie hier war. Mit einem herablassenden Engelslächeln auf ihrem Engelsgesicht schritt sie vorbei; sie übertrieb ihre Bewegung nicht, sondern ließ sie fließen. Ihr Weg wand sich hin und her, unabhängig davon, ob es Hindernisse zu vermeiden gab, so daß fünfzehn Meter wehender Seide ihrer gewundenen Spur folgen konnten.
    Ich lächelte, als ich ihr nachsah. Sie war auch von hinten schön, mit Grübchen am Po.
    Der Mann, der sie ein Stückchen später ansprach, war derselbe, der die Steinewerfer angestachelt hatte. Mit wildem schwarzem Haar und Bart, hohlwangig und mit tiefliegenden Augen, einem verlegenen Lächeln und verlegener Haltung… Ron Cole. Natürlich.
    Ich konnte nicht hören, was er zu dem Mädchen mit dem Mantel sagte, aber ich sah das Ergebnis. Er zuckte zusammen, dann wandte er sich abrupt um und ging mit niedergeschlagenen Augen fort.
    Ich stand auf und ging, um ihn abzufangen. »Nimm’s nicht persönlich«, sagte ich.
    Er sah überrascht auf. Seine Stimme, als sie kam, war bitter. »Wie soll ich es dann nehmen?«
    »Sie hätte jeden auf dieselbe Weise abblitzen lassen. Sie ist zum Ansehen, nicht zum Anfassen.«
    »Du kennst sie?«
    »Ich hab’ sie nie in meinem Leben vorher gesehen!«
    »Dann…?«
    »Ihr Mantel. Du mußt

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