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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und bekam
     neuen Mut. Denn Hans Geiz hielt ruhig die Zügel, sagte nur manchmal »hüh« oder »hott« und tat, als sei solch sausende Schlittenfahrt
     nichts Sonderliches.
    Schließlich aber war es der Anna Barbara, als senke sich der Schlitten wieder tiefer. Schon meinte sie, durch das Schneegestöber
     die Umrisse uralter Tannen zu sehen, da hielt mit einem Ruck der Schimmel, und sofort ließ er wieder den Kopf zwischen den
     Beinen hängen, als wolle er vor lauter Hunger umfallen.
    »Da sind wir also wieder zu Haus!« sagte Hans Geiz, aber soviel Anna Barbara auch durch das Schneetreiben spähte, sie vermochte
     kein Haus zu sehen. Da war nur etwas in dem Schnee, das sah wie ein Haufen altes, verfaultes Stroh aus.
    »Wo ist denn das Haus?« fragte Anna Barbara neugierig. Hans Geiz zeigte nur mit einem »Da!« auf das alte Stroh und befahl:
     »Nun hilf mir erst einmal, den Schimmel Unverzagt ausspannen. Dann wollen wir ins Haus gehen und schön zu Abend essen.«
    So knüpften und schnallten denn die beiden mit ihren froststarren Händen so lange an dem Schimmel herum, bis |85| er ohne Geschirr dastand. Wieder sah sich Anna Barbara um, wo denn der Stall für den Schimmel wäre. Aber Hans Geiz sagte bloß:
     »Leg dich, Unverzagt!«, und sofort legte sich der Schimmel in den tiefen Schnee, daß eine Grube entstand. »So – und nun schieb
     Schnee über ihn …«, befahl Hans Geiz.
    Das alte Tier rollte die Augen wie Bälle und fletschte dazu seine langen, gelben Zähne, aber es half ihm nichts: Es wurde
     ganz mit Schnee zugedeckt. »Der Winter ist doch die beste Jahreszeit«, lachte Hans Geiz, als das getan war. »Spart Futter
     und Stall. Da liegt er nun, der Unverzagt, der Frost hält ihn frisch, daß er mir nicht verdirbt, und brauche ich ihn wieder,
     gieße ich ihm nur ein wenig warmes Wasser auf die Nase, gleich fängt er wieder an zu atmen. – Ja, ja, sparen möchte jeder,
     man muß es aber auch verstehen! Von mir kannst du viel lernen, Anna Barbara!«
    Dem Mädchen tat der Schimmel in der Seele leid, daß er da so im kalten Schnee ohne ein bißchen Futter liegen mußte. Aber sie
     wagte nichts zu sagen, sondern ging stille ihrem Herrn nach, der auf den alten Strohhaufen geklettert war und nun an einem
     großen dunklen Loch stand, das in die Erde ging.
    »Jaja«, sagte Hans Geiz händereibend zu Anna Barbara, »das ist zugleich Schornstein und Tür und Fenster von meinem Haus. Die
     Menschen sind doch dumm, daß sie sich mit teurem Gelde Wände aus Stein über der Erde bauen, wo sie doch so einfach mit wenig
     Kosten in die Erde hinein können. Nun also, fahre mir nach, aber warte, bis ich dich rufe, sonst springst du mir noch auf
     den Kopf.«
    Damit streckte Hans Geiz seine langen, dürren Beine in das Loch, rutschte, und – bums! – war er verschwunden. Anna Barbara
     hörte nur ein dumpfes, immer leiser werdendes Poltern aus der Tiefe. Es grauste sie sehr, und am liebsten wäre sie fortgelaufen,
     gleich in der ersten Stunde aus ihrem ersten Dienst. Aber wohin sollte sie bei solchem |86| Schneegestöber? Sie wäre ja doch nur erfroren am Wege umgesunken!
    So ließ sie sich denn, als ein schwacher Ruf aus der Tiefe tönte, wie sie’s gesehen, mit den Beinen zuerst hinab. Sausend
     fuhr sie hinein in den dunklen Erdenschlund, mit geschlossenen Augen fiel sie tiefer und tiefer. Das dauerte endlos lange,
     aber schließlich landete Anna Barbara ganz sanft auf etwas Weichem, das ihr wie Heu vorkam.
    Es war auch Heu, sah sie, als sie die Augen aufschlug. »Nun komm schon«, sagte Hans Geiz verdrießlich. »Du hast mich viel
     zu lange rufen lassen. Von nun an kommst du immer gleich, wenn ich dich rufe.« Damit nahm er Anna Barbara bei der Hand und
     zog sie aus dem dämmrigen Raum, wo sie im Heu gesessen, durch einen Vorhang in einen riesengroßen, hell erleuchteten Saal.
    Da bekam Anna Barbara wiederum einen großen Schreck, denn als sie in den Saal traten, saßen rechts und links vom Eingang zwei
     große, struppige Hunde mit glühenden Augen – die waren größer als Kälber, und fuhren, mit ihren dicken, eisernen Ketten klirrend,
     zähnefletschend auf Anna Barbara zu.
    »Wollt ihr kuschen, ihr Höllenhunde!« rief Hans Geiz die Tiere an, die sofort zurückgingen, aber mit bösem Knurren. »Das ist
     die Anna Barbara, die bleibt jetzt hier, und der dürft ihr nichts tun, außer sie will ohne meine Erlaubnis aus der Halle.«
    Die Hunde funkelten Anna Barbara mit ihren roten Augen tückisch an und

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