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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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verzehren, dann wächst nichts Neues nach, und du mußt verhungern. Nun spute dich
     und geh an die Arbeit, Mädchen. Wenn du all diese Kupferlinge blank geputzt hast, daß nicht ein Flecken mehr auf ihnen ist,
     soll dein erstes Dienstjahr um sein, und du sollst ein Drittel von dem goldenen Taler verdient haben.«
    Über diese harten Worte fing Anna Barbara bitterlich an zu weinen, und sie rief klagend: »Ach, Ihr hattet mir doch versprochen,
     ich sollte für Euch und den Schimmel Unverzagt sorgen dürfen, und nun soll ich hier ein ganzes Jahr in diesem traurigen Gewölbe
     hocken, ohne Sonne und ein grünes Blättchen und ohne eine freundliche Menschenstimme, und Euer schmutziges Kupfergeld putzen
     – nein, das will ich nicht, und das tue ich auch nicht!«
    Und damit lief Anna Barbara, so schnell sie nur konnte, zur Tür. Aber Hans Geiz war noch flinker. Mit seinen langen Beinen
     sprang er ihr voraus, schlug die Tür vor ihrer Nase zu und rief durchs Schlüsselloch: »Nun sei nur recht fleißig, Anna Barbara,
     sonst wird dein erstes Jahr gar zu lang.«
    Weinend blieb das arme Mädchen zurück, viele Male rief es nach dem harten Hans Geiz und bat um Erlösung, er aber ließ nichts
     von sich hören. Da sah Anna Barbara, es gab keinen andern Ausweg, als fleißig zu putzen, um möglichst schnell wieder hinauszukommen.
     So holte sie sich eine kleine Schürze Kupferpfennige an den Tisch, tauchte |92| das Tuch ins Putzwasser und fing an zu reiben. Oh, wie lange dauerte es, bis sie nur einen Kupferling blank hatte! Da wollte
     sie fast verzagen, wenn sie daran dachte, wieviel Kupferlinge auf dem Tische lagen, und wieviel Tausende erst in einer Tonne,
     und wieviel Millionen in all den Tonnen an den Wänden! Aber sie dachte bei sich: Klagen nutzt nicht! und putzte emsig weiter,
     bis sie Hunger bekam.
    Sie nahm Brot und Täßlein und fing an zu essen und zu trinken. Aber wie sie im besten Schmausen war und grade merkte, das
     Brot war so knapp, daß es kaum ihren Hunger stillte, sprach eine feine Stimme: »Gib mir auch zu essen und zu trinken!«
    Sie sah auf den Tisch, und sie sah unter den Tisch, sie sah im Keller ringsum, aber sie fand nichts, das zu ihr hätte sprechen
     können. So dachte sie, die Ohren hätten ihr geklungen, und aß weiter.
    Aber kaum hatte sie wieder einen Bissen getan, so kam die Stimme von neuem: »Iß mir nicht alles weg, trink mir nicht alles
     aus – ich habe auch Hunger und Durst.«
    Diesmal sah Anna Barbara nicht erst lange umher, sondern sie fragte: »Wo steckst du denn? Ich sehe dich nicht.«
    »In der Flasche«, sprach die feine, piepsige Stimme. »Ich halte dir doch dein Putzwasser sauber.«
    Da sah sich Anna Barbara die Flasche an, und als sie genau hinschaute, sah sie in ihr ein klein winzig Männlein, nicht größer
     als der Nagel an ihrem Daumen, das saß in dem Wasser.
    »Hast du mich jetzt gesehen?« fragte das Männlein. »Nun hilf mir heraus, daß ich in guter Luft essen kann!« Und als Anna Barbara
     sich hilflos umsah, wie sie dem Männlein wohl aus der tiefen Flasche durch den engen Hals helfen könne, sagte es ungeduldig:
     »Nun eile dich doch ein wenig! Meinst du, es ist ein Vergnügen, tagaus, tagein in dem scharfen Wasser zu sitzen?! Hol ein
     Hälmchen Stroh aus deiner Bettstatt, daran will ich hinausklettern!«
    |93| Also holte Anna Barbara ein Hälmchen Stroh, und das Männchen kletterte geschickt daran hoch, setzte sich auf den Flaschenkorken
     und sprach: »Nun gib mir zu essen und zu trinken.«
    Da bröselte sie ein Bröckchen Brot ab, tat einen Tropfen Milch in eine Haferschluse und gab ihm beides. Gleich schrie das
     Männlein: »Mehr! Mehr!!«, schlug wütend mit den Armen und fraß und stopfte, daß es blaurot im Gesicht wurde und daß sein Bäuchlein
     anschwoll wie eine dicke Saubohne. Immer schrie es gleich: »Mehr! Mehr!«, und wenn ihm Anna Barbara das Bröselchen nicht schnell
     genug reichte, so schalt es sie ein faules Mädchen, es werde nun auch faul sein beim Reinigen des Putzwassers.
    Schließlich aber war das Männlein gesättigt. Es saß zufrieden auf dem Flaschenkork, baumelte mit den dürren Beinen und sprach:
     »Oh, wie bin ich schön satt! Das hast du gut gemacht. Nun werde ich dir auch ein Putzwasser bereiten, da sollst du sehen,
     wie die Arbeit flitzt.«
    »Kann man denn all die Pfennige überhaupt je blank bekommen?« fragte Anna Barbara ängstlich.
    »Das kannst du«, antwortete das Männchen kaltblütig. »Wenn du nämlich Ausdauer

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