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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Aber, dachte sie, das werde
     ich in den drei Jahren schon noch alles erfahren.
    Unterdessen hatte Hans Geiz alles aus seinen Taschen gezogen, was er zu einem guten Abendessen brauchte: nämlich einen Kanten
     Brot, der war schimmlig, eine Speckschwarte, die hatte in der Asche gelegen, und einen Apfel, dessen eine Hälfte war faul.
     »Ein feines Essen, ein Lecker- und Schleckeressen!« rühmte Hans Geiz. »Da müssen wir vorsichtig essen, sonst verderben wir
     uns den Magen.« Damit fing er an, den Kanten mit seinem Messer in Stücke zu zerteilen. Anna Barbara aber, die daran dachte,
     daß sie noch ein Töpfchen reine Butter und einen Laib selbstgebackenes Brot in ihrem Bündel hatte, sagte hastig, sie habe
     heute abend keinen Hunger.
    »Wie du willst«, sagte Hans Geiz gleichgültig und schob alles bis auf ein Stücklein Schwarte und ein Ecklein Brot wieder in
     die Tasche. »Aber denke daran, daß morgen nicht so fett gegessen wird wie heute.« Und er strich sachte mit der Speckschwarte
     über das trockene Brot. »Oh, wie schmeckt das kräftig und gut!« rief er dann. »Die Menschen sind ja dumm, wenn sie meinen,
     der Speck sei zum Essen da. Zum Einreiben ist er, macht dann schon das Essen so stark, daß man es kaum vertragen kann. Ich
     reiche mit solch einem Stück Speck fast ein Jahr.«
    Damit steckte er die Schwarte in die Tasche, biß noch ein Krümchen vom Brot, kaute es lange, sprach: »Gut gekaut ist halb
     verdaut – oh, wie bin ich gut satt!« und hatte so viel gegessen, daß ein Spatz danach hätte Hunger haben müssen. Er aber stand
     auf und sprach: »Nun will ich dir zeigen, wo du schlafen kannst. Morgen fängt dann die Arbeit an.«
    Er führte Anna Barbara in einen kleinen Winkel an der Nische – von ferne hatte es ausgesehen, als sei es nur eine schmale
     Fuge zwischen zwei Steinen. Als sie aber näher kamen, wurde die Fuge weiter und weiter und ein richtiger Raum. Staubig und
     rumplig sah’s freilich darin aus, die |90| Spinnen hatten ihre Netze kreuz und quer gespannt, und welke Blätter lagen auf der Erde. »Na ja«, sprach Hans Geiz grämlich,
     »hier sind ja Hängematten genug für zwanzig Mädchen wie dich, und auch Decken liegen da, so viele du nur brauchst.«
    Und im gleichen Augenblick sah Anna Barbara, daß das, was sie für Spinnennetze gehalten hatte, Hängematten waren und daß die
     welken Blätter auf der Erde braune Decken waren. »Schlaf schnell ein, Anna Barbara!« mahnte Hans Geiz. »Daß du morgen frisch
     zur Arbeit bist. Und rabantere mir nicht so in der Hängematte, gute Sachen müssen auch gut behandelt werden.«
    Damit ging er heraus, und Anna Barbara machte, daß sie schnell in ihre Hängematte kam, so müde war sie. Sie schlief auch sofort
     ein, und im Traum saß die tote Großmutter neben ihr und sprach: »Ja, du bist auf dem rechten Wege, Kind, dir wird es mit dem
     goldenen Taler wohl nicht fehlgehen.« Anna Barbara wollte mit dem Kopf schütteln und sagen, daß ihr diese Stelle gar nicht
     gefalle. Davon kam aber die Hängematte ins Schwingen, sie schwang immer schneller und höher. Ich werde noch fallen, dachte
     Anna Barbara im Traum, da fiel sie auch wirklich.
    Es tat tüchtig weh, sie schlug die Augen auf, vor ihr stand Hans Geiz. Sie aber lag auf der Erde, und die Schnur ihrer Hängematte
     war durchgerissen. »Hast du also doch rabantert!« sprach Hans Geiz. »Bisher bist du noch nicht viel nütze gewesen. – Na, komm.
     Es ist jetzt droben Morgen, nun will ich dir deine Arbeit zeigen.«
    Damit ging er ihr voran in die Nische mit den drei eisenbeschlagenen Türen. Eine von ihnen schloß er auf, und sie kamen in
     einen Keller, an dessen Wänden Dutzende von Fässern standen. In der Mitte des Kellers stand ein Tischlein mit einem Schemelchen.
     Auf dem Tischlein lagen ein Tüchlein, ein Brötlein, standen ein Täßchen und ein Fläschchen. Und in der Ecke war ein Lager
     aus Stroh mit Decken.
    |91| »Sieh«, sprach Hans Geiz, »in den Fässern habe ich viel Kupfergeld, aber es ist mir vom langen Liegen schmutzig geworden und
     sitzt voll Grünspan. So sollst du es mir wieder blank putzen. Mit dem Tüchlein sollst du wischen, und in dem Fläschlein ist
     ein Wasser, das nimmt den Schmutz fort. Mußt du aber einmal weinen, so tu das ins Fläschlein, davon bekommt das Putzwasser
     besonders reinigende Gewalt. Das Brötlein ist für dich da zum Essen, und in dem Täßchen ist ein wenig Milch für dich – sie
     werden nie alle. Aber hüte dich, sie ganz zu

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