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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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hast und ich dir helfe.«
    »Und hat denn Hans Geiz wirklich den goldenen Taler?« fragte Anna Barbara wieder.
    »Das wirst du schon erfahren«, sagte das Männlein. »Aber so viel kann ich dir heute schon sagen: Er hat ihn und er hat ihn
     nicht.«
    Anna Barbara zerbrach sich den Kopf, was das wohl bedeute, da sagte das Männchen: »Nun will ich auch einmal eine Frage tun.
     Nämlich: wie heißt du denn?«
    »Anna Barbara«, sagte Anna Barbara.
    »Das ist ein schrecklich dummer Name«, sagte das Männchen. »Ich werde dich Liebste nennen.«
    Da mußte Anna Barbara gewaltig lachen, denn daheim in ihrem Dorf nannten die jungen Burschen das Mädchen, das |94| sie einmal heiraten wollten, ihre Liebste. Und wenn sie sich dazu das Männchen ansah, nicht größer als ihr Daumennagel, und
     bedachte, es wolle sie auch Liebste nennen, so mußte sie eben lauthals lachen.
    Sofort wurde das Männlein krebsrot vor Wut und schrie: »Lach nicht so dumm, du albernes Mädchen! Jawohl, Liebste nenne ich
     dich, und du wirst mich Liebster heißen, und wenn die Zeit gekommen ist, werden wir heiraten …«
    Da konnte sich Anna Barbara nicht mehr halten. Sie sprang auf, trampelte mit den Füßen vor Vergnügen auf der Erde herum und
     lachte, so laut sie nur konnte. Denn wenn Anna Barbara das Männchen ansah, mit seinem blauroten, faltigen Gesicht, einem Schädel,
     blank wie ein Ei, einem strubbligen Bart, mit einem runden Bäuchlein und Armen und Beinen so dürr wie Stecken, und dabei dachte,
     das sollte einmal ihr Mann werden – so mußte sie eben wie toll lachen.
    Das Männchen aber sprang von seinem Korken auf, trampelte auch mit den Füßen auf den Boden, aber vor Wut, und kreischte mit
     seiner dünnen, piepsigen Stimme: »Warte nur, du böses Mädchen! Wenn du erst meine Frau bist, dann will ich dich für dieses
     Lachen an den Haaren reißen!«
    Und es schüttelte wütend seine Fäustchen gegen Anna Barbara. Als die aber gar nicht mit Lachen aufhörte, fuhr es zornig an
     der Flasche hoch, sprang hinein und war untergetaucht. Und nur Schaum und Blasen im Putzwasser verrieten noch, daß es weiter
     darin saß und wütete. –
    Bald machte sich auch Anna Barbara wieder an ihre Arbeit, und so flink ging sie ihr vonstatten, daß sie denken mußte: Ist
     das komische Männchen auch wütend, macht es mir doch das Putzwasser so scharf, daß ich nur einmal über den schmutzigsten Pfennig
     hinzureiben brauche, und er glänzt wie der liebe Mond.
    So arbeiteten die beiden nun viele Tage miteinander. Anna Barbara ließ nicht ab, fleißig zu reiben und zu scheuern, damit |95| ihr Jahr nur recht kurz werde, und jede Tonne, die sie von schmutzigen Pfennigen entleert und mit blanken Pfennigen gefüllt
     hatte, machte ihr das Herz leichter. Und das Männlein bereitete mit seinen Künsten das Putzwasser immer schärfer, und sie
     aßen zusammen alle Tage von dem Brot, und sie tranken gemeinsam von der Milch. Aber jedesmal, wenn sie ihre gemeinsame Mahlzeit
     hielten, gerieten sie in Streit, denn das Männchen hörte nicht auf, sie Liebste zu nennen, und erboste sich jedesmal von neuem,
     wenn sie darüber zu lachen anfing. Und wenn es sagte, in seinem Hause dürfe sie ihm nur Linsensuppe kochen, aber keine Erbsen,
     wollte Anna Barbara grade Erbsen und fragte ihn wohl spöttisch, ob sein Haus die Putzwasserflasche sei und ob sie da auch
     hinein müsse. Er möge nur die Tür, nämlich den Hals, erst ein bißchen weiter machen.
    Immer endete es aber damit, daß das erzürnte Männlein ihr schwere Strafen androhte, wenn sie erst seine Frau sei, und wollte
     er sie am Anfang nur am Haar reißen, kam es nachher so weit, daß er ihr jedes Haar einzeln ausreißen, die Nase abbeißen und
     die Augen als dicke Erbsen kochen wollte. Zum Schluß aber fuhr das Männchen immer zornig an seinem Strohhalm in die Flasche
     und warf Blasen, als gurgele es mit dem Putzwasser.
    Zwischen Tag und Nacht war in dem lichtlosen Kellerloch tief unter der Erde, in dem nur die Glühwürmchen leuchteten, kein
     Unterschied, so wußte Anna Barbara nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie an die letzte Tonne mit Kupferlingen ging. Auf
     dem Boden dieser Tonne aber lag eine kupferne Glocke, und als sie den letzten Pfennig geputzt hatte, sprach das Männlein zu
     ihr: »Nun läute die Glocke.« Fuhr aber gleich danach in seine Flasche.
    Anna Barbara schwang die Glocke. Da fing sie sonderbar an zu summen und zu brummen. Es war der Anna Barbara ganz, als treibe
     der Kuhhirt

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