Geschichten aus der Murkelei
kratzen!«
Der Husch guckte durch das Schlüsselloch, was er gucken konnte. Erst sah er gar nichts, dann sah er etwas wie viele Haare,
aber es war gleich wieder weg. Nun aber fiel etwas nieder auf die Erde, und – siehst du wohl! – da stand ein riesiger Bär
in der Stube, so groß, daß er fast mit dem Kopf an die Decke stieß, und kraulte sich den Schädel mit seinen ungeheuren Tatzen.
Dem Husch verging fast das Atmen vor Schreck! So ein böses, wildes Tier hatte er noch nie gesehen! Und wie der Bär nun gar
das Maul zum Gähnen aufriß und seine mächtigen Zähne und die dicke, rote Zunge zeigte, da machte der Husch lieber schnell
die Augen zu und hielt sich an den Mänteln im Schranke fest, um nicht vor Schreck umzufallen.
|111| Aber hören konnte er deswegen doch noch, und so hörte er, wie die feine Stimme sagte: »Wenn du die Zauberkappe abnimmst, so
nehme ich die Kappe auch ab. Die Leute kommen sicher vor Dunkelwerden nicht nach Haus, da können wir noch ein Schläfchen tun.
Sieh – daß du es weißt, Bär, hier lege ich die Kappen auf das Tischchen. Da kannst du sie gleich langen, wenn der Mann und
die Frau und der Junge kommen.«
»Schön!« sagte der Bär, und der Husch hörte, wie er sich auf das krachende Sofa legte. »Nun will ich ein schönes Schläfchen
tun, daß ich auch Kräfte genug habe für meine drei Schläge.«
Der Husch konnte es nicht lassen, die Neugierde überkam ihn, er hielt sein Auge wieder an das Schlüsselloch, und da sah er
neben dem Bären, der sich auf das Sofa geworfen hatte, einen Fuchs stehen, einen richtigen, roten Fuchs, mit dreieckigem Gesicht,
grasgrünen Augen und einer schön geschwungenen Lunte.
»Schnarche aber nicht, Bär«, sagte der Fuchs. »Sonst kann ich nicht hören, wenn die Leute zurückkommen.«
»Ich schnarche, soviel ich will!« meinte der Bär patzig. »Wenn ich ordentlich schlafen will, muß ich auch schnarchen können.
Setz du dich nur ans Fenster und paß gut auf – dafür bist du ja da!«
Damit drehte sich der Bär auf dem Sofa um, daß der Husch dachte, es müßte zusammenbrechen, und fing an zu schnarchen, daß
die Wände wackelten und die Fensterscheiben klirrten. Warte nur, du oller Bär! dachte der Husch in seinem Schranke wütend.
Liegst du mit deinem schmutzigen, nassen Fell auf meiner Mutter schönen, hellen Sofakissen und machst sie ganz dreckig! Warte
nur, vielleicht erwische ich dich doch! Und dabei sah er sehnsüchtig nach den beiden Zaubermützen, die nahe beim Schrank auf
dem Tischchen lagen.
Aber die waren nicht zu kriegen, denn einmal war die |112| Schranktür dazwischen, zum andern war der Fuchs noch da, und der sah mit seinen listigen, grünen Augen ganz so aus, als ließe
er sich nicht so leicht beim Aufpassen betrügen.
Der Fuchs spazierte im Zimmer hin und her und sah sich neugierig alles an. Von Zeit zu Zeit schaute er auch zum Fenster hinaus,
und dann bekam der Husch es immer mit der Angst, die Eltern könnten jetzt kommen. Schließlich entdeckte der Fuchs den großen
Stehspiegel an der Wand, und der gefiel ihm über die Maßen, denn der Fuchs ist ein sehr eitles Tier und sieht keinen lieber
als sich selbst. Er stellte sich also vor den Spiegel, genauso feierlich wie der Husch in der Schule, wenn er ein Gedicht
vor der ganzen Klasse aufsagen mußte, legte die eine Pfote auf sein Herz, strich sich mit der andern seinen stattlichen Schnurrbart,
zwinkerte sich selber freundlich zu und sprach laut zu seinem Spiegelbilde: »Ei, du schöner Fuchs! Ei, du kluger Fuchs! Du
gefällst mir ganz ausgezeichnet! Ich liebe dich, Füchslein!«
Dabei machte er, immer noch die Pfote auf seinem Herzen, eine tiefe Verbeugung vor sich selbst, daß dem Husch im Schrank das
Lachen ankam, so stark, daß er es nicht mehr halten konnte. Er fuhr zwar gleich mit dem Kopf in die Mäntel, daß es nicht zu
hören sein sollte – die feinen Ohren des Fuchses aber hatten doch etwas vernommen. Mit einem Ruck fuhr der Fuchs herum und
sprang auf den Schrank zu.
Der Husch hielt die Schranktür von innen zu, der Fuchs arbeitete mit der Pfote von außen daran. Aber er war nicht groß genug,
ans Schloß zu gelangen. Gleich sprang er zum schnarchenden Bären, schüttelte ihn und rief: »Brummbär, ich glaube, es ist wer
im Schrank!«
Der Bär schnarchte weiter. So leicht ließ er sich nicht wachkriegen. Der Fuchs schüttelte stärker und schrie lauter. Husch,
der merkte, der Fuchs am Sofa sah nicht
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