Geschichten aus der Murkelei
böse. Plötzlich aber winselte er, als habe
er einen Schlag bekommen, und kroch angstvoll in seine Hütte.
Das kam dem Husch seltsam vor, rasch huschte er hinter die Gardine und versteckte sich so, daß er auf den Hof sehen konnte,
ohne gesehen zu werden. Er sah aber gar nichts. Der Hund hockte winselnd in seiner Hütte, und auf den Pfützen regnete es Blasen.
Und doch hatte der Husch das bestimmte Gefühl, es sei da etwas Fremdes auf dem Hof.
Nach einer Weile war es dem Husch, als sähe ein Gesicht von draußen durch die Scheibe, durchs Fenster. Wie sehr er aber auch
durch die Gardine blinzelte, er sah nichts als das blanke Glas und den Regen auf dem Hof. Das ist doch wunderbar, dachte der
Husch. Da ist jemand und ist doch nicht zu sehen. Wenn der sich versteckt, kann er’s noch besser als ich.
Indem ging die Küchentür ins Haus hinein. Aber der Husch konnte spähen, daß ihm die Augen vom scharfen Zusehen tränten, er
sah keinen hineingehen, und doch ging die Tür so ordentlich wieder zu, als habe jemand auf die Klinke gedrückt. Hineingegangen
ist bestimmt jemand, dachte der Husch, wenn ich ihn auch nicht gesehen habe. Nun, wenn der sich verstecken kann, ein bißchen
kann ich es auch! Und – husch! – huschte der Husch in den großen Schrank und zog die Tür fest hinter sich zu. Er wußte aber,
daß er durch das Schlüsselloch alles sehen konnte, was in der Stube vorging.
|109| Eine Weile sah er gar nichts als eben die Stube, dann aber sah er, wie langsam und leise die Stubentür nach der Küche hin
aufging. Er sah, wie die Klinke niedergedrückt wurde, aber die Hand, die auf der Klinke lag, sah er nicht. Das war doch eine
ganz tolle Geschichte! – vor lauter Aufregung und Staunen vergaß der Husch fast das Atmen.
Nun ging die Tür wieder zu, und der heimliche Besucher war wohl in der Stube, aber zu sehen war er noch immer nicht. Dafür
hörte der Husch etwas, er hörte, wie eine rauhe, tiefe Stimme sagte: »Nein, wie schön warm und trocken ist es in so einem
Menschenhaus! Das ist ja noch viel besser als die schönste Höhle im Walde!«
Und eine feine Stimme antwortete: »Habe ich dir das nicht gleich gesagt? Sieh dir bloß mal an, was du dir für ein schönes
Lager auf dem Sofa mit all den Kissen und Decken machen kannst!«
Sieh da! Sieh da! dachte der Husch in seinem Schranke ganz verwundert. Es ist also nicht nur einer, es sind sogar zwei, die
sich heimlich in unser Haus geschlichen haben! Und alle beide sieht man nicht. Das ist doch wirklich eine wunderbare Geschichte.
Und er spähte durchs Schlüsselloch, daß ihm die Augen aus dem Kopf traten.
»Jawohl, das wird ein schönes, warmes Lager für mich werden«, sagte wieder die tiefe Stimme. »In diesem Winter brauche ich
nicht zu frieren. Aber erst müssen wir das Menschengesindel loswerden.«
»Das ist doch ganz einfach«, sagte die feine Stimme. »Wenn die Frau und der Mann und der Junge zurückkommen, gibst du ihnen
einfach mit deiner Tatze was auf den Kopf, daß sie tot umfallen. Dann haben wir das ganze Haus für uns alleine.«
Oh, wie angstvoll wurde dem Husch in seinem Schranke zumute, als er diesen fürchterlichen Plan hörte! Wie gerne wäre er aus
dem Schranke gesprungen, wäre ins Dorf gelaufen und hätte die Eltern gewarnt! Aber das konnte er ja |110| nicht. Die unsichtbaren Besucher hätten ihn sicher totgeschlagen, ehe er aus der Stube kam. Er konnte sie ja nicht sehen,
sie aber konnten sofort sehen, wenn er nur die Schranktür aufmachte. So beschloß er, still im Schrank auszuharren, vielleicht
gab es doch noch eine Gelegenheit, zu entwischen und die Eltern zu warnen.
»Ja, das sagst du so«, sagte die tiefe Stimme jetzt ganz brummig. »Bei dir klingt das ganz einfach: Tatze auf den Kopf und
tot. Ich aber habe die Arbeit davon! Und vielleicht hat der Mann gar etwas zu schießen und schießt mich tot.«
»Du bist doch wirklich nicht sehr klug!« sagte die feine Stimme höhnisch. »Wie kann der Mann dich denn schießen, wenn er dich
gar nicht sieht?! Ja, wenn wir die Zauberkappen nicht hätten –! Aber das war eben auch mein kluger Gedanke, die den Zwergen
zu stehlen!«
»Du magst so klug sein, wie du willst«, sagte die tiefe Stimme ärgerlich, »ohne mich kannst du doch nichts machen, und die
Hauptarbeit muß ich tun! Und wenn die Zauberkappen auch ganz nützlich sind, so machen sie doch schrecklich warm auf dem Kopfe.
Mich juckt es überall, und ich muß mich jetzt
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