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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Schacht hinauf, und sie fanden keinen Weg hinaus.
    Sie wollten schon fast verzagen, da hörte Anna Barbara in der Ferne ein Getrapps, und sie machte ihre Stimme laut und schrie:
     »Hör mich, Schimmel Unverzagt!«
    Nach einer Weile verschwand der kleine Himmelsfleck oben, denn der Schimmel schaute hinab und fragte: »Wer ruft?«
    »Das Mädchen«, rief Anna Barbara, »das du im Winter hierhergefahren, und ihr Liebster. Kannst du uns denn nicht hinaushelfen?«
    »Das kann ich vielleicht«, antwortete der Schimmel. »Wollt ihr mich dann aber auch immer bei euch behalten und mir gut zu
     fressen geben und mich im Winter nicht auf Eis legen?«
    »Das versprechen wir dir!« riefen die beiden.
    »So wartet ein Weilchen«, sagte der Schimmel, »bis die Haare an meinem Schwanze lang genug gewachsen sind.«
    So standen sie ein Weilchen, aber plötzlich sagte Anna Barbara: »Mich kitzelt was an der Backe, Liebster!«
    Antwortete er: »Mich krabbelt was im Nacken, Liebste.«
    »Was mag das wohl sein?« fragten sie, und als sie hinfaßten, |106| hielt jedes ein Pferdehaar. »Wir wollen sehen, ob es fest genug ist«, sprachen sie, und sie hingen sich daran. Und das Haar
     hielt, und sie zogen sich daran empor.
    Da waren sie oben, und nach langer Zeit standen sie wieder in der lieben Sonne und sahen das Himmelslicht und das gute Grün
     von Gras und Baum. Sie hörten die Vögel singen und rochen den Duft der Blumen.
    Da sanken sich die beiden in die Arme und waren sehr froh und küßten sich. Dann aber setzten sie sich auf den Schimmel Unverzagt,
     und er ging fort mit ihnen und hörte nicht eher auf zu gehen, bis sie vor dem Haus hielten, in dem Anna Barbara mit ihrer
     Großmutter gelebt hatte. Dahinein gingen sie, die jungen Leute in die Stube, der Schimmel aber in den Stall. Und dort lebten
     und arbeiteten sie nun, und sie waren immer glücklich, weil sie den goldenen Taler hatten. Denn wer den ohne Fleck in allem
     Glanze hat, der ist immer glücklich.
    Der Schimmel Unverzagt aber wohnte noch lange bei ihnen und hatte es gut. Als er aber starb, wurde er hinter dem Haus unter
     einem Apfelbaum begraben und ihm ein Grabstein gesetzt mit folgendem Vers:
    Hier ruht der Schimmel Unverzagt,
    Den Geiz in kaltes Eis gepackt.
    Der goldne Taler wärmt ihn auf,
    Zufrieden war sein letzter Schnauf.
    Nun ruht er aus von aller Müh,
    Er war ein herzlich gutes Vieh.

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    |107| Geschichte vom unheimlichen Besuch
    Es war einmal ein Junge, den nannten seine Eltern den Husch, weil er stets so eilig weghuschte, und er war überhaupt das schnellste
     und leiseste Kind von der Welt. Wenn man ihn suchte, war er grade weggehuscht, und wenn seine Mutter sich die Kehle nach ihm
     ausrief, kam er unter dem Küchentisch hervorgehuscht. Darum hieß er der Husch.
    Der Husch aber kannte kein größeres Vergnügen, als sich zu verstecken, daß alle nach ihm suchen mußten. Da half kein Bitten
     und kein Reden und kein Schelten, er konnte es nicht lassen, er mußte sich verstecken. Und Prügel halfen auch nicht. Sollte
     es zum Mittagessen gehen, und alle liefen durcheinander, wuschen sich die Hände und riefen dazwischen nach dem Husch, so saß
     der ganz still und leise in der Holzkiste am Herde, hielt den Atem an und freute sich wie ein König, daß sie nach ihm liefen
     und lärmten.
    Hatte seine Mutter ihn aber am Abend ins Bett gebracht und rief nur schnell den Vater, daß der ihm gute Nacht sagte, so huschte
     der Husch schnell aus seinem Bett, setzte sich oben auf den Kleiderschrank und sah stillvergnügt zu, wie seine Eltern nach
     ihm liefen und riefen.
    So ging es eine lange Zeit, und der Husch ließ nicht vom Verstecken.
    Nun begab es sich, daß der Husch an einem Sonntagnachmittag allein zu Hause saß, denn seine Eltern waren ins Dorf zu Freunden
     gegangen. Der Husch saß auf einem Stühlchen am Fenster und sah zu, wie es draußen immer mehr und immer größere Blasen auf
     den Pfützen regnete. Dazwischen malte er aus seinem Tuschkasten ein Bild an, darauf waren |108| eine Sonne, ein Mond und viele Sterne, und alle zusammen lachten und tanzten Ringelreihe. Die Sterne aber waren schwierig
     auszumalen, wegen ihrer vielen Zacken, darum machte der Husch von Zeit zu Zeit eine Erholungspause und sah aus dem Fenster
     nach dem Regen.
    Als er nun wieder einmal hochschaute, sah er das Hoftor gehen, als käme einer herein, es war aber keiner zu sehen. Der Hofhund
     an seiner Kette fuhr los, wie wenn etwas Fremdes auf dem Hof wäre, und blaffte

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