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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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den Gedanken war sie noch nicht gekommen,
     daß sie für ihr Futter auch etwas arbeiten müsse. Grade zur rechten Zeit fielen ihr noch die Vögel ein. »Und wie ist es denn
     mit den Vögeln, Hausherr?« verlangte sie zu wissen. »Das unnütze Flattergetier fütterst du doch |126| auch den ganzen Winter hindurch, ohne daß es irgendeine Arbeit für dich tut?«
    »Im Winter wohl nicht, da hast du recht, Ratte«, antwortete der Hausherr. »Aber den ganzen Sommer über sind sie unermüdlich
     tätig für mich, fangen die Fliegen und Mücken, töten die Raupen, picken die Schmetterlingseier – ohne die Vögel würde bald
     keine Pflanze in meinem Garten wachsen, kein Apfel auf dem Baum ohne Wurmstich reif werden. – Nein, Ratte, wenn dir nichts
     einfällt, was du für mich tun kannst, so wird aus unserm Frieden nichts werden.«
    Jetzt saß die Ratte ganz kleinlaut da; daß sie nicht einmal soviel wert sein sollte wie ein armseliger Vogel, das hatte sie
     nicht gedacht. Schließlich sagte sie bescheidener: »Ich habe sehr schöne, starke Zähne, so scharf wie kaum ein anderes Tier.
     Wenn ihr hier im Hause vielleicht etwas zu beißen oder zu zernagen hättet? Ich könnte euch die schönsten, die dunkelsten,
     die gemütlichsten Gänge unter den Dielen nagen.«
    »Untersteh dich, Ratte!« rief der Hausherr und hob drohend die Gabel. »Wir sind froh, daß wir ein heiles Haus mit festen Dielen
     haben, wir brauchen keine Rattengänge. – Weißt du sonst noch etwas, was du für uns tun könntest?«
    Die Ratte überlegte sich den Fall wieder eine Weile, dann sagte sie: »Ich habe einen besonders schönen, langen, nackten Schwanz
     – vielleicht könnte ich der Hausfrau mit dem ein bißchen behilflich sein, den Staub wischen und die Suppen umrühren?«
    »Um Gottes willen!« rief die Hausfrau und ekelte sich sehr. »Gib das bloß nicht zu, Mann! Wer möchte denn noch eine Suppe
     essen, die dieser nackte Schwanz umgerührt hat?!«
    Nun aber war die Ratte beleidigt. Sie hielt sehr viel von sich, bildete sich etwas ein auf ihre Schlauheit und List und hatte
     hier doch nur kränkende Reden gehört und war niedriger eingeschätzt worden als der jämmerlichste Vogel. »Ich |127| verstehe nicht«, sprach die Ratte also böse, »was an meinem Schwanz eklig sein soll – es ist ein besonders schöner Schwanz,
     jedes Rattenfräulein hat ihn noch zum Verlieben gefunden. Aber ich sehe, man würdigt hier meine guten Absichten nicht, und
     so bleibt mir denn nichts übrig, als daß ich wieder in den Stall gehe, meine Gänge unter dem Pflaster grabe, das Schweinefutter
     fresse und die rosigen Ferkel annage. Ihr habt die Freundschaft mit mir nicht gewollt, also scheltet mich auch nicht, wenn
     ich weiter euer Feind bin!« – Damit schickte sich die Ratte an, zu gehen.
    »Einen Augenblick noch, Ratte!« rief der Hausherr. Er bedachte nämlich, daß die Ratte ihm, wenn sie jetzt im Zorn ginge, noch
     viel mehr Schaden tun würde als bisher und daß sie als schlaues Tier weder mit Gift noch mit Fallen zu töten war. Da schien
     es dem Hausherrn ein kleineres Übel, sie gegen ein geringes Futter im Haus zu behalten, wenn sie nur auch hielt, was sie versprach.
     Also fragte er: »Wirst du denn auch halten, Ratte, was du versprichst, wenn ich dich hier im Hause füttere? Nichts annagen,
     nichts verderben, nichts naschen, mir keinerlei Schaden oder Schabernack tun, sondern immer an meinen Nutzen denken?«
    »Was ich verspreche, das halte ich auch«, sprach die Ratte mürrisch. »Aber meinen Schwanz lasse ich nicht schlechtmachen,
     es ist ein schöner Schwanz.«
    »Mit deinem Schwanz hat es die Hausfrau nicht bös gemeint, Ratte«, tröstete sie der Hausherr. »Meine Frau ist eben an ihre
     Rührlöffel und Staubpinsel gewöhnt, darum gefallen die ihr besser. – Wenn ich dich aber hier behause und beköstige, Ratte,
     so mußt du auch etwas dafür tun, in meinem Haushalt kann ich keinen faulen Fresser dulden.«
    »Sage nur, was ich tun soll«, sprach die Ratte, die schon wieder ganz eingebildet wurde, als sie merkte, der Hausherr wollte
     sie doch behalten. »Was ein anderer tut, das kann ich auch.«
    |128| »Nein, das wollen wir nicht sagen, Ratte«, meinte der Hausherr lächelnd. »Denn zu irgendwelcher nützlichen Arbeit bist du
     doch nicht zu gebrauchen. Aber wie wäre das, Ratte –? Ich sehe dich da ganz manierlich auf den Hinterbeinen sitzen, pfeifen
     kannst du auch – wie wäre es, Ratte, wenn du zur Belustigung der Kinder

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