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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Zustand den feuchten Lehm aus der Grube zu schöpfen und zum Ofen zu schleppen. Aber die Schergen des Pharaos waren nach ihrer Unfähigkeit, Mitgefühl zu empfinden, ausgesucht worden. Sie trieben die Frau in die Fron.
    Die Frau brach zusammen und gebar. Aber sie war zu schwach, um sich um das Neugeborene zu kümmern, und sie war zu schwach, um Hilfe herbeizurufen. Die anderen Frauen achteten nicht auf sie, nicht weil sie böse oder gleichgültig waren, auch sie arbeiteten mit ihrer letzten Kraft, und die machte ihre Sinne eng, so daß sie nur sahen, was sie für ihre Arbeit sehen mußten.
    Das Neugeborene rutschte über den nassen Boden und fiel in die Lehmgrube und wurde, ohne daß es jemand bemerkte, in den Lehm verknetet, und es hätte zu einem Ziegel gebrannt werden sollen.
    Diesen Zwischenfall, der doch eigentlich eine Tragödie war, konnte ein Engel mittlerer Rangordnung nicht ansehen. Es war zuviel. Er dachte nicht mehr an den großen Plan, den er ohnehin nicht verstand, er dachte nur noch an die kleine Hilfe. Er flog ohne Befehl Gottes vom Himmel herab und nahm den Lehmklumpen aus der Hand der Arbeiterin, die ihn, ohne zu wissen, was sie da in ihren Händen hielt, zum Ofen bringen wollte. Der Engel hob das Kind in die Luft, befreite es von der Erde, drückte es an seine heilende Brust und trug es hinauf in den Himmel.
    Und der Engel brachte das Kind vor den Thron Gottes, und er hielt es hoch. Zeigte es Gott. Sagte kein Wort.
    Gott betrachtete das Kind und betrachtete den Engel. Blickte dem Engel in die Augen. Aber der Engel hielt Gottes Blick stand. Denn das Auge des Engels war gemacht aus Liebe zur Unschuld, und das ließ seinen Blick stark sein.
    Gott erhob sich. Er erhob sich, stieg von seinem Thron herab und wandte den Engeln den Rücken zu.
    Lange stand er so.
    In den Reihen der Engel wurde getuschelt. Die einen sagten, Gott weine. Woher sie das wüßten, fragten die anderen. Man sehe es an seinen Schultern, sagten die einen.
    »Seht ihr nicht dieses leichte Beben? So ist es, wenn man weint.«
    »So ist es, wenn ein Mensch weint«, sagten die anderen. »Aber Gott ist kein Mensch. Gott weint nicht. Worüber sollte Gott auch weinen?«
    Dann gab es Engel, die meinten, er hätte aber allen Grund zum Weinen, denn was zur Zeit unten auf der Erde geschehe, sei zum Weinen.
    Es kam sogar zu vereinzelten Unmutsäußerungen.
    »Beende deinen Zorn, Jahwe!« wurde gerufen.
    »Laß Gnade walten!« wurde gerufen.
    Gott drehte sich zu seinen Heerscharen, unübersehbar waren sie, als würde die Zahl der Menschen mit sich selbst multipliziert, und noch viel mehr Engel waren im Himmel.
    »Nur, wer weiß, was die Zeit ist«, sagte Gott mit einer Stimme, die so laut war, als würde die Lautstärke aller Geräusche der Welt mit sich selbst multipliziert, und noch viel lauter war die Stimme Gottes, »darf Rechenschaft von Gott verlangen. Denn nur wer weiß, was die Zeit ist, weiß auch, welche Folgen das Tun Gottes hat, und nur wer das weiß, kann über das Tun Gottes richten.«
    Da senkten die himmlischen Heerscharen ihre Häupter und gingen weiter ihrem himmlischen Tagwerk nach.
    Gott aber erschien Moses ein zehntes Mal.
    Und rauh war seine Stimme, als er zu ihm sprach: »Nun, Moses, werde ich eine zehnte Plage gegen Ägypten schicken, und diese Plage wird den Pharao brechen. Geh du noch einmal zum Nil hinunter, sprich noch einmal mit dem Pharao!«
    Moses antwortete: »Das kann ich nicht. Das trau ich mich nicht. Der Pharao hat geflucht und geschworen, er werde mich töten, wenn er mich noch einmal sieht.«
    »Glaubst du denn, das würde ich zulassen? Glaubst du, ich, der ich den Himmel und die Erde und die Mächte unter der Erde geordnet habe, ich könnte nicht den Arm eines Mörders halten?«
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte Moses.
    In sich zusammengesunken kniete er in seiner Hütte. Seine Hände hatte er zwischen seine Knie geklemmt. Sein Atem ging schwer, jedes Wort war wie ein Seufzen.
    »Warum soll ich hinuntergehen zum Nil und mit dem Pharao sprechen? Warum? Was soll so ein Gespräch denn bringen? Und könnte ich ihn überzeugen mit Aarons Redetalent, so daß er das Volk Israel ziehen läßt, was hätte all die Anstrengung für einen Sinn? Du würdest ihm zum zehnten Mal Sturheit in den Kopf setzen. Ich bin zu alt, um Verhandlungen zu führen, von denen ich im voraus weiß, daß sie keinen Erfolg haben werden.«
    »Bist du noch mein treuer Diener?« fragte Gott.
    »Ich bin dein treuer Diener«, antwortete

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