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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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dann gib nach!«
    Eine lange Stille war um den Thron des Pharaos.
    Schließlich begann Adikos zu sprechen. Aber immer noch nicht blickte er seine Minister an. »Gut« sagte er.
    »Gut. Dann soll es so sein. Aber wir werden Moses und seinem Gott den Triumph nicht gönnen.«
    »Was meinst du damit?« fragten die Minister, und sie hatten Angst, denn eine Erfahrung hatten sie in der letzten Zeit machen müssen, nämlich daß alles, was sie nicht wußten, schlimmer war, als sie sich vorstellen konnten.
    »Der Gott des Moses soll sie nicht bekommen«, sagte der Pharao. »Er wird sie nicht bekommen.«
    Und er gab den Ministern den Befehl, ihre eigenen Söhne zu töten. Jetzt. Hier. Vor seinen Augen.
    »Dann werden Moses und sein Gott sehen, daß sie keine Macht über die Väter Ägyptens haben.«
    Die Loyalität dieser Minister muß sehr groß gewesen sein. Sie zückten ihre Schwerter und gingen auf ihre Söhne los. Töteten sie vor den Augen des Pharaos.
    Der Pharao befahl: »Diesem Vorbild sollen alle Väter in Ägypten folgen. Wenn jeder Vater seinen erstgeborenen Sohn oder seine erstgeborene Tochter tötet, dann haben wir den Gott Israels betrogen. Und wer einen Gott betrügen kann, der hat ihn auch besiegt.«
    Aber das Volk der Ägypter scherte sich nicht um diesen absurden Befehl. Die Menschen flohen aus ihren Wohnungen, und sie flohen zu den Juden, baten, aufgenommen zu werden, flehten um Schutz vor dem Pharao und Jahwe. Und viele Hebräer versteckten erstgeborene Ägypter in ihrem Haus. Die Menschen wollten, daß ein Ende sei. Ein Ende der Grausamkeit, ein Ende der Rache, ein Ende der Not, ein Ende der bösen Taten, ein Ende der bösen Worte. Ein Ende des Wahnsinns.
    Nun saßen sich in den hebräischen Wohnungen Ägypter und Juden gegenüber, und sie erinnerten sich an das, was sie erzählt bekommen hatten, erinnerten sich an die Zeit, als Josef nach Ägypten gekommen war, wie er das Land als Vizekönig durch die sieben mageren Jahre geführt hatte, weinten gemeinsam, als sie an die langen Jahre des Friedens, des Wohlstands, des Glücks dachten.
    »Unsere Völker waren befreundet«, sagten sie. »Was ist nur geschehen? Wie ist es so weit gekommen? Wer trägt die Schuld?«
    Und als sie merkten, daß der eine zu einer Rechtfertigung ausholen wollte und der andere auch zu einer Rechtfertigung ausholen wollte, da hoben sie schnell die Arme zur Beschwichtigung.
    Sie sagten: »Fragen wir nicht! Oder fragen wir erst später. Schauen wir nicht mehr zurück. Oder schauen wir erst wieder zurück, wenn unsere Felder wieder Früchte tragen, wenn unsere Wunden verheilt sind.«
    Eine tapfere Frau stand auf – viele Generationen von Gerechten werden klagen, daß der Name dieser tapferen Frau nicht überliefert wurde –, sie stand auf und sagte nur: »Ich gehe und will alles, was ich habe, für den Frieden geben.«
    Die Frau – wir wissen nicht einmal, ob sie Hebräerin oder Ägypterin war – verließ den Versammlungsraum und ging heim. Ihre Angehörigen hatten das Haus verlassen, hatten das wenige Vieh, das noch übrig war, mitgenommen, hatten alles mitgenommen, was einigermaßen Wert hatte und was sich tragen ließ.
    Die Frau öffnete alle Türen in ihrem Haus, ging durch die leeren Räume ihres Hauses. Im ersten Zimmer fand sie ein Bild an der Wand, das zeigte eine Katze, und dieses Bild war alles, was sich in diesem Zimmer lohnte. Im zweiten Zimmer nahm sie aus einer Schublade einen Kamm, dem fehlten ein paar Zacken, aber sonst gab es nichts, was sich in diesem Zimmer gelohnt hätte. Im dritten Zimmer stolperte sie über einen Besen, der hatte einen verzierten Griff, den machte sie ab, und da sah er aus wie ein Zepter.Im vierten Zimmer endlich, es war ihr eigenes Zimmer, zog sie das Leintuch vom Bett und faltete es zusammen. Nun ging sie zum Nil hinunter, tauchte das Leintuch ins Wasser, das wie Blut war, da wurde das Tuch rot und sah aus wie ein Königsmantel aus Purpur. Nun hatte sie alles beieinander, und es war alles, was sie besaß.
    Zuerst ging sie zum Palast des Pharaos.
    Sie stellte sich unter das Schlafgemach des Pharaos und rief: »Hörst du, Pharao! Du hast mir alles genommen, und ich will dir alles geben!«
    Da kamen die Wachen des Pharaos und jagten die Frau davon und warfen ihr die Dinge, die sie mitgebracht hatte, nach. Das Bild mit der Katze, den Kamm mit den fehlenden Zacken, das Zepter aus dem Besenstiel und den purpurnen Königsmantel aus dem Leintuch von ihrem Bett.
    Die Frau sammelte alles auf und

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