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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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opferst das Deine, ich opfere das Meine. Du ein Lamm, ich eine Garbe Weizen.«
    Kain baute seinen Altar mitten im Feld. Abel baute seinen Altar im Schutz eines Felsens. Der Rauch von Kains Altar stieg nicht in den Himmel, er wurde vom Wind verweht. Der Rauch von Abels Altar dagegen erhob sich zu einer weißen Säule.
    »Na?« sagte Kain.
    »Ach«, sagte Abel, »das läßt sich erklären.«
    »So, das läßt sich also erklären.«
    »Ja, natürlich! Denk doch nach!«
    »Nachdenken soll ich, so.«
    »Machen wir den Versuch noch einmal«, sagte Abel.
    »Diesmal bau du deinen Altar neben dem Felsen auf, ich bau den meinen mitten auf dem Feld.«
    »Gott braucht mir nicht zweimal zu sagen, daß er mich nicht liebt«, sagte Kain.
    Kain nahm die Axt aus Eisen, die ihm Abel schenken wollte, und erschlug ihn damit.
    Kain hatte von nun an Angst. Er hat etwas getan, was vor ihm noch nie getan worden war. Er hat den Mord erfunden. Er versteckt die Leiche seines Bruders im Gebüsch. Er hört Schritte hinter sich. Er wagt es nicht, sich umzudrehen.
    Er hört die Stimme Gottes: »Wo ist dein Bruder?«
    »Ich weiß es nicht«, sagt Kain. »Bin ich der Hüter meines Bruders?«
    »Das Blut deinen Bruders schreit zum Himmel«, sagt Gott.
    Gott macht Kain klar, was Mord bedeutet.
    »Die Schuld ist zu groß für mich«, sagt Kain. »Wohin soll ich gehen? Wer mich erkennt, wird mich erschlagen, wie ich meinen Bruder erschlagen habe. Aber mein Mörder wird im Recht sein.«
    »Niemand darf Kain etwas antun«, sagt Gott. »Wer Kain erschlägt, der soll verflucht sein. Und der Fluch soll vererbt werden über sieben Generationen.«
    Und als Strafe für den Mord an seinem Bruder sprach Gott einen siebenfachen Fluch über Kain:
    Erstens, ein Horn soll auf Kains Stirn wachsen. »Damit dich jeder sofort erkennt!«
    Zweitens, in jedem Geräusch soll Kain den Schrei »Brudermörder« hören. »Damit du immer an deine Tat erinnert wirst!«
    Drittens, eine Lähmung soll Kains rechte Hand wie ein Pappelblatt zittern lassen. »Damit diese Hand nie wieder etwas Böses tun kann!«
    Viertens, ein unersättlicher Hunger soll Kain quälen. »Damit du nie Zufriedenheit erlangen kannst!«
    Fünftens, kein Wunsch soll Kain je erfüllt werden. »Damit du keinen Augenblick Glück erfahren wirst!«
    Sechstens, der Schlaf soll Kain meiden bis in die frühen Morgenstunden. »Damit du nie vergißt, wie einsam du bist!«
    Siebtens, niemand soll sterben, solange der erste Mörder lebt. »Damit dein Name Tod bedeute!«

SETH
    Vom Wachsen u nd Vermehren – Von der Sehnsucht der ersten Menschen – Von einem, der nur Ersatz sein sollte – Von einem fanatischen Ahnenforscher – Von einem, der nicht mehr weiß, wer Gott ist
     
    Kain hatte Schwestern, und er verband sich mit seinen Schwestern und lag ihnen bei und zeugte viele Töchter und Söhne, und die Söhne lagen ihren Schwestern bei, und die Schwestern brachten viele Kinder zur Welt, und die Kinder brachten Kindeskinder zur Welt. Erst ein Mensch war bisher gestorben, und der war ermordet worden: Abel.
    Adam und Eva waren nun auch schon über fünfhundert Jahre alt. Eva hat viele Kinder geboren. Es gibt Mythologen, die haben geforscht, und ihre Forschungen ergaben, daß Eva dreißig Kinder zur Welt gebracht hat. An die meisten Kinder konnte sie sich gar nicht mehr erinnern. Nur einer, der ruhte als sehnsuchtsvoller Gedanke in ihrem Herzen – Abel …
    Die Menschheit breitete sich aus: über das ganze Land, über die ganzeErde. Man hatte viel zu tun. Das meiste war noch neu, das meiste wurde zum ersten Mal getan, auch die meisten Fehler wurden zum ersten Mal gemacht, so war die Zeit angefüllt mit Gutmachen und Schlechtmachen und Wiedergutmachen …
    Die Menschen beteten nicht mehr zu Gott. Sie vergaßen Gott. Sie opferten nicht mehr. Sie vergaßen auch die Erzählungen der Schöpfung, wie sie von Adam und Eva überliefert worden waren. Man vergaß Adam und Eva. Man erzählte von ihnen wie von Sagenfiguren. Man erzählte bald gar nicht mehr von ihnen. Viele neue Wörter wurden erfunden. An jedem neuen Tag wurden hundert neue Wörter erfunden. Wer hat die erfunden? Man wußte darauf keine Antwort. Man erfand das Wort »man«, wenn man nicht genau wußte, wer gemeint war, aber glaubte, es seien viele gemeint …
    Man gründete Städte. Niemand starb. Wie lautete der siebte Fluch, den Gott auf Kain geschleudert hatte?
    »Niemand soll sterben, solange der erste Mörder lebt. Damit dein Name Tod bedeute!« Die Städte

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